Praxis Dr. Inselfisch

Psychologie, Philosophie und Programmierung

Fast Food fürs Gehirn: die Ratgeber-Branche boomt wie nie

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Geben sie mal bei Google “psy­cholo­gie rat­ge­ber online” ein und lassen sie sich über­raschen, wie viele Rat­ge­ber­por­tale da ganz oben schon erscheinen. Kosten­lose Hil­fe bei psy­chis­chen Prob­le­men direkt zum Anklick­en wird einem da zuhauf geboten, für jedes psy­chol­o­gis­che Wehwe­hchen gibt es auch einen hil­fre­ichen Artikel. Oder schauen sie mal in einem x‑beliebigen Buch­laden in die Ecke mit den Leben­shil­fe-Büch­ern: wow, da wird man schi­er erschla­gen von der fan­tastis­chen Auswahl!

Psy­chol­o­gis­che Rat­ge­ber sind in, und ganz beson­ders boomt die Branche im Inter­net, es wird geblog­gt und ge-newslet­tered bis zum Abwinken, und fast jed­er liest täglich mehrere Artikel zu  den unter­schiedlich­sten The­men aus dem Bere­ich Leben­shil­fe und Per­sön­lichkeit­sen­twick­lung.

Eigentlich müssten wir alle bei diesem massen­haften Kon­sum kluger Worte schon kleine Genies sein, und erfol­gre­ich, glück­lich und zufrieden oben­drein. Aber halt — das Stich­wort kommt mir jet­zt ger­ade recht: Kon­sum. Es bringt einen halt nicht so beson­ders viel weit­er, wenn man all die klu­gen Worte nur kon­sum­iert, also durch­li­est.

Da hab ich in einem Artikel kür­zlich einen net­ten Ver­gle­ich gefun­den: es ist, als ob man sich gesün­der Ernähren möchte, und loszieht und einen Einkauf­sko­rb voll voll­w­er­tiger und frisch­er Lebens­mit­tel nach­hause trägt. Ja, und dann? Es reicht halt nicht, wenn man die Lebens­mit­tel nur einkauft und  heimträgt. Man müsste sie auch sachgerecht zubere­it­en und dann auch noch essen, son­st hil­ft es nichts. Und man müsste das auch jeden Tag machen.

Ähn­lich ist es, wenn man aus einem psy­chol­o­gis­chen Rat­ge­ber etwas ler­nen möchte. Nur ein­mal durch­le­sen bringt einem nichts, da muss man schon noch ein biss­chen Arbeit investieren. Wenn man Glück hat, gibt der/die AutorIn einem einen Lehrplan an die Hand, so etwas wie eine Liste grund­sät­zlich­er Lern­in­halte, und eine Anleitung wie man diese verin­ner­licht und für die eige­nen Zwecke umset­zt. Wenn man weniger Glück hat, muss man sich das sel­ber erar­beit­en. Und da bleibt einem kaum etwas anderes übrig als die klas­sis­chen Helfer­lein, wenn man von bedruck­tem Papi­er schlauer wer­den möchte. Post-It Zettel für Ein­merk­er, Leucht­mark­er zum Anstre­ichen, Bleis­tift zum Rand­no­ti­zen machen. Ein Schreib­block oder ein Word-Doku­ment für Zusam­men­fas­sun­gen und Exz­erpte. Damit bere­it­et man sich aus den Rat­ge­berzu­tat­en erst ein­mal eine Samm­lung schmack­hafter, rel­a­tiv leicht ver­daulich­er Häp­pchen. Die führt man sich dann nacheinan­der zu Gemüte, und kaut auf jedem einzel­nen Hap­pen herum und lässt ihn sich auf der Zunge zerge­hen, bis man ihn verin­ner­licht hat.

Jet­zt ist der richtige Zeit­punkt, um ein Resumee des Gel­ern­ten zu ziehen, und dabei festzustellen was davon man für sich sel­ber umset­zen kann und möchte. Um bei der Lebens­mit­tel-Analo­gie zu bleiben: jet­zt stellen wir uns ein indi­vidu­elles Menü aus den Zutat­en zusam­men, die uns der/die AutorIn an die Hand gegeben hat. Dann gehts ans Umset­zen, das Menü will jet­zt auch noch zubere­it­et und ver­speist wer­den, das ist dann let­z­tendlich die Ver­ar­beitung des Gel­ern­ten.

Hats geschmeckt? Habe ich gel­ernt, etwas neu und anders zu machen als gewohnt, und wenn ja, was hat das für Auswirkun­gen auf mein Leben? Was hat mir der/die AutorIn ver­sprochen, und was davon ist wahr gewor­den? Bekommt mir diese spezielle Art der gesün­deren geisti­gen Ernährung, oder brauche ich doch eine andere Diät?

Das klingt nach Arbeit, und das ist es auch. Nur vom reinen Kon­sum schlauer Artikel und Büch­er allein ist noch nie jemand glück­lich­er und erfol­gre­ich­er gewor­den. Viele suchen auch Hil­fe, weil sie merken dass sie allein mit der Lek­türe nicht weit­erkom­men — hier set­zt dann die Psy­chother­a­pie an, die ja im klas­sis­chen Fall nichts anderes tut als Hil­fe zur Selb­sthil­fe zu geben. Aber das ist eigentlich schon ein anderes The­ma und sprengt hier den Rah­men.

Es sei mal dahingestellt, dass man all die vie­len schlauen Artikel auch zur Unter­hal­tung und aus Inter­esse am The­ma lesen kann, ohne da jet­zt tiefer in die Ver­ar­beitung einzusteigen. Man kann auch den Korb voll­w­er­tiger gesun­der Lebens­mit­tel in der Küche ste­hen lassen und sich wie gewohnt eine Tiefkühlpiz­za in den Ofen schieben. Das bringt halt dann nicht so beson­ders viel, man wird so wed­er schlauer noch gesün­der. Let­z­tendlich muss jed­er sel­ber entschei­den, wie er das hand­habt.

Ich machs von Fall zu Fall, viele Artikel lese ich genau ein­mal, finde sie amüsant oder auch erhel­lend, und vergesse sie genau­so schnell wieder wie ich sie kon­sum­iert habe. Nur sel­ten sind welche dabei, bei denen ich meine Ver­ar­beitungs- und Lern­methodik anwerfe, aber da bleibt dann auch was hän­gen. Die bespreche ich dann auch gern mit jemand anders, ich habe gott­sei­dank einige Ansprech­part­ner­In­nen, die sich eben­falls für Per­sön­lichkeit­sen­twick­lung und Leben­shil­fe inter­essieren. Und das ist immer ein sicher­er Gradmess­er, ob man eine Sache auch wirk­lich ver­standen hat: wenn man sie jemand anderem erk­lären kann. Dann hat man sie auch verin­ner­licht und sich zu eigen gemacht, dann sitzt das und es bringt auch was, man hat etwas gel­ernt. Wie das mein Lieblingsphilosoph Richard P. Feyn­man so tre­f­fend for­mulierte: “Wenn du es einem aufgeweck­ten Achtjähri­gen erk­lären kannst, dann hast du es ver­standen.”

Das, so finde ich, ist ein schönes Schluß­wort.

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