Geben sie mal bei Google “psychologie ratgeber online” ein und lassen sie sich überraschen, wie viele Ratgeberportale da ganz oben schon erscheinen. Kostenlose Hilfe bei psychischen Problemen direkt zum Anklicken wird einem da zuhauf geboten, für jedes psychologische Wehwehchen gibt es auch einen hilfreichen Artikel. Oder schauen sie mal in einem x‑beliebigen Buchladen in die Ecke mit den Lebenshilfe-Büchern: wow, da wird man schier erschlagen von der fantastischen Auswahl!
Psychologische Ratgeber sind in, und ganz besonders boomt die Branche im Internet, es wird gebloggt und ge-newslettered bis zum Abwinken, und fast jeder liest täglich mehrere Artikel zu den unterschiedlichsten Themen aus dem Bereich Lebenshilfe und Persönlichkeitsentwicklung.
Eigentlich müssten wir alle bei diesem massenhaften Konsum kluger Worte schon kleine Genies sein, und erfolgreich, glücklich und zufrieden obendrein. Aber halt — das Stichwort kommt mir jetzt gerade recht: Konsum. Es bringt einen halt nicht so besonders viel weiter, wenn man all die klugen Worte nur konsumiert, also durchliest.
Da hab ich in einem Artikel kürzlich einen netten Vergleich gefunden: es ist, als ob man sich gesünder Ernähren möchte, und loszieht und einen Einkaufskorb voll vollwertiger und frischer Lebensmittel nachhause trägt. Ja, und dann? Es reicht halt nicht, wenn man die Lebensmittel nur einkauft und heimträgt. Man müsste sie auch sachgerecht zubereiten und dann auch noch essen, sonst hilft es nichts. Und man müsste das auch jeden Tag machen.
Ähnlich ist es, wenn man aus einem psychologischen Ratgeber etwas lernen möchte. Nur einmal durchlesen bringt einem nichts, da muss man schon noch ein bisschen Arbeit investieren. Wenn man Glück hat, gibt der/die AutorIn einem einen Lehrplan an die Hand, so etwas wie eine Liste grundsätzlicher Lerninhalte, und eine Anleitung wie man diese verinnerlicht und für die eigenen Zwecke umsetzt. Wenn man weniger Glück hat, muss man sich das selber erarbeiten. Und da bleibt einem kaum etwas anderes übrig als die klassischen Helferlein, wenn man von bedrucktem Papier schlauer werden möchte. Post-It Zettel für Einmerker, Leuchtmarker zum Anstreichen, Bleistift zum Randnotizen machen. Ein Schreibblock oder ein Word-Dokument für Zusammenfassungen und Exzerpte. Damit bereitet man sich aus den Ratgeberzutaten erst einmal eine Sammlung schmackhafter, relativ leicht verdaulicher Häppchen. Die führt man sich dann nacheinander zu Gemüte, und kaut auf jedem einzelnen Happen herum und lässt ihn sich auf der Zunge zergehen, bis man ihn verinnerlicht hat.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um ein Resumee des Gelernten zu ziehen, und dabei festzustellen was davon man für sich selber umsetzen kann und möchte. Um bei der Lebensmittel-Analogie zu bleiben: jetzt stellen wir uns ein individuelles Menü aus den Zutaten zusammen, die uns der/die AutorIn an die Hand gegeben hat. Dann gehts ans Umsetzen, das Menü will jetzt auch noch zubereitet und verspeist werden, das ist dann letztendlich die Verarbeitung des Gelernten.
Hats geschmeckt? Habe ich gelernt, etwas neu und anders zu machen als gewohnt, und wenn ja, was hat das für Auswirkungen auf mein Leben? Was hat mir der/die AutorIn versprochen, und was davon ist wahr geworden? Bekommt mir diese spezielle Art der gesünderen geistigen Ernährung, oder brauche ich doch eine andere Diät?
Das klingt nach Arbeit, und das ist es auch. Nur vom reinen Konsum schlauer Artikel und Bücher allein ist noch nie jemand glücklicher und erfolgreicher geworden. Viele suchen auch Hilfe, weil sie merken dass sie allein mit der Lektüre nicht weiterkommen — hier setzt dann die Psychotherapie an, die ja im klassischen Fall nichts anderes tut als Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Aber das ist eigentlich schon ein anderes Thema und sprengt hier den Rahmen.
Es sei mal dahingestellt, dass man all die vielen schlauen Artikel auch zur Unterhaltung und aus Interesse am Thema lesen kann, ohne da jetzt tiefer in die Verarbeitung einzusteigen. Man kann auch den Korb vollwertiger gesunder Lebensmittel in der Küche stehen lassen und sich wie gewohnt eine Tiefkühlpizza in den Ofen schieben. Das bringt halt dann nicht so besonders viel, man wird so weder schlauer noch gesünder. Letztendlich muss jeder selber entscheiden, wie er das handhabt.
Ich machs von Fall zu Fall, viele Artikel lese ich genau einmal, finde sie amüsant oder auch erhellend, und vergesse sie genauso schnell wieder wie ich sie konsumiert habe. Nur selten sind welche dabei, bei denen ich meine Verarbeitungs- und Lernmethodik anwerfe, aber da bleibt dann auch was hängen. Die bespreche ich dann auch gern mit jemand anders, ich habe gottseidank einige AnsprechpartnerInnen, die sich ebenfalls für Persönlichkeitsentwicklung und Lebenshilfe interessieren. Und das ist immer ein sicherer Gradmesser, ob man eine Sache auch wirklich verstanden hat: wenn man sie jemand anderem erklären kann. Dann hat man sie auch verinnerlicht und sich zu eigen gemacht, dann sitzt das und es bringt auch was, man hat etwas gelernt. Wie das mein Lieblingsphilosoph Richard P. Feynman so treffend formulierte: “Wenn du es einem aufgeweckten Achtjährigen erklären kannst, dann hast du es verstanden.”
Das, so finde ich, ist ein schönes Schlußwort.