München, Milbertshofen: wo Oma und Opa eine neue Heimat fanden

Ich bin zwar in Straubing geboren, aber in München aufgewachsen, und das kam so:

Mein Opa als ehemaliger Offizier und gelernter Schneider fand Anfang der 60er Jahre eine gute Anstellung in München bei der Bundeswehr, und wir siedelten alle miteinander in die Großstadt um: Oma und Opa, Mami(die war damals noch minderjährig) und ich. Hier schafften wir einen echten Neubeginn nach dem Krieg.

Der Opa war glücklich mit seinem Job, er betreute in einer beschützenden Lehrwerkstätte kriegsversehrte Soldaten und brachte ihnen das Schneiderhandwerk bei. Opa wollte immer schon Lehrer werden und hat sich so einen Traum erfüllen können.

Oma fand eine schöne Teilzeitstelle in einer renommierten Schneiderei gar nicht weit von der Humperdinckstrasse in Milbertshofen, wo wir wohnten. Sie hatte das Schneiderhandwerk zwar nicht in einer richtigen Lehre gelernt, aber sie war unglaublich talentiert und ihre Kleider und Accessoires waren immer „stylish“ und gerade richtig für die modebewusste Dame von Welt, sie hatte bald viele treue Stammkundinnen.

Mami fand eine gute Stelle als Lehrmädel im Büro des alteingesessenen Porzellan-Fachgeschäfts Kuchenreuther (hat leider kürzlich zugemacht) in der Sonnenstraße. Dort lernte sie den Oberbuchhalter Johann H. kennen und lieben, und die beiden heirateten bald darauf, aber darüber erzähle ich ein andermal mehr.

Jetzt möchte ich noch ein bisschen was über meine erste Heimat in München/Milbertshofen erzählen.

Milbertshofen hatte damals und hat noch heute eine geradezu dörflich intakte Infrastruktur. Es gibt eine Katholische(St. Lantpert) und eine Evangelische Kirche, es gibt Schulen und Kindergärten, es gibt schöne Wohnungen mit Balkonen zu grünen Innenhöfen hinaus. Es gibt vielfältige Einkaufsmöglichkeiten direkt vor der Haustür. Keine 5 Laufminuten von unserer Wohnung entfernt, vorn an der Knorrstrasse, gab es zum Beispiel:

– einen Milchladen, wo die Milch noch aus der Pumpe, die Butter frisch vom Stück und die Eier direkt vom Bauern verkauft wurden.

– einen Bäcker, einen Käse- und Feinkostladen (den Käs-Müller, gibt es heute noch), eine Metzgerei und ein Obst- und Gemüsestandl, das das ganze Jahr geöffnet hatte.

– eine kleine Modeboutique, ein Schuhgeschäft und einen Schreibwarenladen, wo der Opa seine Zigaretten kaufte und wöchentlich seinen Lottoschein abgab.

Anfangs fuhr noch keine Trambahn nach Milbertshofen, die wurde erst so etwa 1964 gebaut, die Linie 6 vom Scheidplatz zum Harthof war das.

Das hat aber meine Oma nicht davon abgehalten, mindestens einmal in der Woche mit mir in die Stadt zum Bummeln und Schaufensterln zu gehen. Sie hat mich einfach ins Kinderwagerl gepackt und mich den ganzen langen Weg über die Leopold- und Ludwigstrasse geschoben bis zum Marienplatz. Dann ging es durch die Kaufinger Strasse bis zum Stachus, und nachhause über den Karolinenplatz, die Belgrad- und Knorrstrasse entlang wieder heim. Die langen Fußmärsche hielten die Oma fit wie einen Turnschuh!

Sie schaute unterwegs immer beim Weipert nach neuen Modestoffen, kaufte beim Hertie oder beim Oberpollinger ihr Nähzubehör, machte Kaffeepause beim Rischart und gönnte sich dort ein Stückerl Kuchen, von dem ich Zwergerl natürlich auch etwas abbekam.

Ich kann mich erinnern, dass die Münchner Innenstadt damals noch schwer zerbombt war, in der jetzigen Fußgängerzone in der Kaufingerstrasse gab es noch riesige Bombenkrater und Schuttfelder.

nachkriegszeit-muenchen
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Aber es wurde alles wieder aufgebaut, womöglich noch schöner und prächtiger als vor dem Krieg. Oma und ich waren auf unseren langen Spaziergängen Zeugen, wie die Münchner Innenstadt sich selbst von den Kriegsschäden heilte, immer schöner und lebendiger wurde, bis von den alten Schäden nichts mehr zu sehen war und unsere Weltstadt mit Herz wieder einen intakten Stadtkern hatte. Die Kaufinger Straße wurde wenig später zur ersten Fußgängerzone Bayerns erklärt, das war damals ein revolutionäres städtebauliches Konzept. Der Stachus wurde verkehrsberuhigt und bekam das Spritzbrunnenrondell, und es geschah noch vieles mehr, was das Gesicht unserer Stadt bis in die heutige Zeit prägt. Darüber ein anderes mal mehr.

stachusrondell
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Jedenfalls waren wir eine glückliche Familie im freundlichen Milbertshofen, dem Dorf in der Großstadt. Meine Mami und ich zogen dann bald an den Harthof, dort hatte sich der Herr Oberbuchhalter Johann H. ein eigenes Haus gebaut. Aber das ist eine neue Geschichte, die erzähle ich ein andermal.

Mehr über Milbertshofen könnt ihr auch im Münchner Stadtportal im Internet nachlesen, hier der Link.