Praxis Dr. Inselfisch

Psychologie, Philosophie und Programmierung

25. November 2018
von admin
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Ich bin ein Dopamin-Junkie

Vor etwa 30 Jahren fing das an: damals war Lotus Notes die erste Win­dows-Soft­ware, die einen mit diesen net­ten kleinen Benachrich­ti­gungs­fen­sterchen und einem musikalis­chen Klin­geln darauf aufmerk­sam machte, wenn eine neue Nachricht eingetrudelt war. Immer. Sofort. Egal in welchem Pro­gramm man ger­ade arbeit­ete, das Fen­sterchen ging auf und Klin­geling! — wer kann da schon wider­ste­hen? Ich nicht, und ich bin seit­dem ein Junkie. Neue Emails nicht sofort anschauen? Undenkbar! Eine neue Forum­snachricht ignori­eren? Nie und nim­mer, das muss ich gle­ich anschauen. Eine SMS nicht sofort öff­nen? Das Blinken des ABs ignori­eren, nicht aufs Dis­play des Tele­fons guck­en ob das nicht Anrufe in Abwe­sen­heit aneigt? Jamais! Ich bin da wirk­lich voll der Junkie… Gott­sei­dank hab ich kein Smart­phone, ich würde ja nur noch am Tropf hän­gen.

In einem sehr erhel­len­den Artikel auf Psy­chol­o­gy Today wer­den die biol­o­gis­chen Hin­ter­gründe dieses Phänomens beleuchtet, das ist sehr auf­schlussre­ich und macht auch ein wenig nach­den­klich:

https://www.psychologytoday.com/us/blog/brain-wise/201209/why-were-all-addicted-texts-twitter-and-google

Das ver­track­te daran ist, dass das Dopamin, das die Lust-Zen­tren in unserem Gehirn anregt, schon bei der Erwartung eines neuen Reizes flutet, da ist die Vorah­nung der Beloh­nung schon anre­gen­der als am Ende die Beloh­nung selb­st. Deswe­gen lan­det man als Dopamin-Junkie auch in dieser End­loss­chleife, wo es let­ztlich egal ist ob die erwartete Nachicht jet­zt wirk­lich wichtig, gut, inter­es­sant oder son­st irgend­wie pos­i­tiv ist. Nein, die Ankündi­gung der Nachricht ist es, die der Sucht Stoff liefert, und das ist dann doch ziem­lich fatal, denn hier set­zt kein Lern­ef­fekt ein. Ganz egal ob man ger­ade dreimal Junk-Email wegge­drückt hat, bei der näch­sten Ankündi­gung “sie haben 1 neue Nachricht” set­zt der Reflex wieder genau­so ein, es kön­nte ja dies­mal wichtig sein, oder erfreulich, oder uns glück­lich machen. Deswe­gen ist mein Com­put­er auch den ganzen Tag an, wenn ich zuhause bin, ich kön­nte ja — Gott bewahre! — eine Nachricht ver­passen und meinen Dopamin-Fix nicht rechtzeit­ig bekom­men. Da hil­ft mir nur, dass ich ver­dammt schnell bin, und erstens ank­om­mende Nachricht­en mit einem Blick klas­si­fizieren kann, und dass ich zweit­ens beim Antworten auch ver­dammt schnell bin und nicht viel Zeit darauf ver­schwen­den muss, auf eine Nachricht auch zu reagieren.

Ich habe allerd­ings beim Nach­denken über den Artikel aus Psy­cholo­gie Today auch fest­gestellt, dass ich von anderen Men­schen erwarte, dass sie genau­so schnell auf meine Nachricht­en reagieren wie ich auf ihre. Ich kann es zum Beispiel abso­lut nicht ver­ste­hen, wenn jemand nicht zurück­ruft, obwohl ich eine Nachricht auf seinem AB hin­ter­lassen habe, wenn auf E‑Mails tage­lang keine Antwort kommt, wenn jemand seine Anrufe in Abwe­sen­heit auf dem Handy ignori­ert. Damit tue ich mir sehr schw­er, und muss auf­passen dass ich da nicht ange­fressen reagiere.

Da ziehe ich aber auch eine per­sön­liche Gren­ze. Wenn ich eine Anfrage an jeman­den gestellt habe, auf die ich aus welchem Grund auch immer wirk­lich eine Antwort brauche, hake ich nach einiger Zeit nach, wenn keine Antwort kommt. Sei es wegen ein­er Auskun­ft von ein­er Behörde oder von der Hausver­wal­tung, wegen eines Arzt-oder son­sti­gen Ter­mins, wegen Infor­ma­tio­nen die ich für meine Arbeit benötige oder Rück­fra­gen wegen offen­er Baustellen sowohl geschäftlich­er als auch pri­vater Natur, ich lasse es nicht durchge­hen, wenn jemand ein­fach nicht antwortet. Das ist aber eine andere Baustelle, das hat mit dem schnellen Dopamin-Fix jet­zt nicht wirk­lich etwas zu tun, son­dern mehr mit ein­fach­er Höflichkeit und den Grun­dregeln der men­schlichen Kom­mu­nika­tion.

Immer­hin habe ich aber meine Dopamin-Sucht soweit im Griff, dass ich sie mir nur im Laufe des (Arbeits-)Tages erlaube und den Com­put­er, meine Haup­tquelle für den Sucht­stoff, prinzip­iell spätestens nach dem Aben­dessen auss­chalte. Und ich weiß schon, warum ich kein Smart­phone habe und mir auch keines zule­gen will, das würde der Sucht zuviel Raum geben, das will ich gar nicht erst riskieren. Mir reicht es völ­lig, wenn die blaue Zahl in meinem Thun­der­bird (x) unge­le­sene Nachricht­en anzeigt — hui­ii, ich eile, ich fliege! Kön­nte ja was weiß ich was Tolles dabei sein, und nicht nur Junk und uner­wün­schte Newslet­ter. Aber Gott­sei­dank betreibe ich elek­tro­n­is­che Kon­ver­sa­tion mit ein­er Menge net­ter Men­schen, die mir wirk­lich etwas zu sagen haben, und über deren Nachricht­en man sich auch immer freuen kann. Das reis­sts raus, denn son­st wäre die Dopamin-Sucht ein trau­riges Kapi­tel. So ist’s nur eine Macke, auf die man ein biss­chen ein Auge haben muss. Hoffe ich zumin­d­est mal — aber jet­zt muss ich schnell mal weg, ich habe 1 neue Nachricht! 🙂

 

24. November 2018
von admin
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Computer Ethics: die 10 Gebote für Programmierer

Bei meinen täglichen Newslet­tern war heute ein sehr erhel­len­der Artikel über die jährliche Umfrage von Stack­Over­flow, der sei jedem emp­fohlen, der sich für den Sta­tus und die Befind­lichkeit der pro­gram­mieren­den Zun­ft heute inter­essiert:

https://medium.freecodecamp.org/stack-overflow-2018-developer-survey-faac8d3eb357

Es haben dieses Jahr über 100.000 Entwick­ler aus aller Her­ren Län­der an der Umfrage teilgenom­men, das war ein Reko­rd, und macht die Umfrage zur weltweit grössten im Bere­ich Soft­ware Devel­op­ment.

Mich hat hier beson­ders ein Pas­sus inter­essiert: die Fra­gen zum The­ma Com­put­er-Ethik. Die Frage:

“Wür­den sie Code zu unethis­chen Zweck­en pro­gram­mieren ?”

…haben nur erschreck­ende 58,8 % mit Nein beant­wortet. 36,6 % gaben an, es käme darauf an was es ist, und 4,8 % antworteten mit Ja.

Das finde ich ehrlich gesagt ham­mer­hart. Die näch­ste Frage:

“Wer ist ver­ant­wortlich wenn Code zu unethis­chen Zweck­en pro­gram­miert wird?”

… beant­worteten 57,5% mit : “Das Man­age­ment”, 22,8 % schoben es auf: “Den­jeni­gen, der die Idee hat­te” und nur 19,7 % hiel­ten “Den Entwick­ler, der es pro­gram­miert hat” für ver­ant­wortlich.

Immer­hin 79,6 % sind der Mei­n­ung, dass ein Entwick­ler die ethis­chen Gesicht­spunk­te seines Codes berück­sichti­gen sollte.

Uff! Noch nicht ein­mal 20 % wür­den also die Ver­ant­wor­tung dafür übernehmen, wenn Code zu unethis­chen Zweck­en pro­duziert wer­den soll. Das finde ich eine erschreck­ende Zahl. Und man fragt sich natür­lich, woher das kommt. Wenn man sich den Rest der Sta­tis­tiken genauer anschaut, find­et man schnell her­aus dass die über­wiegende Mehrzahl der Devel­op­er jung (unter 35), männlich und kinder­los ist, dass die wenig­sten eine for­male Aus­bil­dung absolviert haben, dass sie sich über­wiegend auf eigene Faust weit­er­bilden. Das heisst aber auch, dass die wenig­sten Entwick­ler so etwas wie ethis­che Prinzip­i­en oder auch nur Handw­erk­sregeln ihres Berufes mit­gekriegt haben. Kun­st­stück, die Branche ist noch so jung, dass es so etwas wie Tra­di­tio­nen noch nicht gibt, höch­stens in Ansätzen im Rah­men der Infor­matik-Stu­di­engänge. Ich habe selb­st während mein­er Aus­bil­dung zur Fach­in­for­matik­erin nie auch nur ein Ster­benswörtchen von so etwas wie Beruf­sethos gehört, und bedau­re dies sehr.

Was man nicht vergessen darf: ein Großteil der pro­gram­mieren­den Zun­ft ist in Bere­ichen tätig, in denen es um Prof­it geht — man nehme nur ein­mal das Inter­net, diese furchte­in­flössende Mar­ket­ing­mas­chine, als Beispiel. Und wo es um viel Geld geht, kip­pen ethis­che Prinzip­i­en immer am schnell­sten über Bord. Verkauft wird mit allen Mit­teln, auch mit so unethis­chen wie Black Pat­terns und glat­ten Mar­ket­inglü­gen, aber ich will das hier gar nicht weit­er ver­tiefen, son­dern stattdessen eine Lanze für Ethik in der Pro­gram­mierung brechen.

Das Com­put­er Ethics Insti­tute (CEI) in Wash­ing­ton ist nur eines von vie­len Insti­tuten, die sich Ethik in Devel­op­ment und Pro­gram­mierung auf die Fah­nen geschrieben haben. Ihr Mot­to ist es, einen moralis­chen Kom­pass für den Ozean der Infor­ma­tion­stech­nolo­gie zur Ver­fü­gung zu stellen. In diesem Geiste haben die Experten des CEI die Zehn Gebote für Com­put­er Ethik ver­fasst, die auch in viele Sprachen über­set­zt wur­den und inter­na­tion­al hohe Anerken­nung find­en. Ich zitiere hier die deutsche Fas­sung von http://computerethicsinstitute.org/german.html:

  1. Du sollst nicht Deinen Com­put­er benutzen, um anderen Schaden zuzufü­gen.
  2. Du sollst nicht ander­er Leute Arbeit am Com­put­er behin­dern.
  3. Du sollst nicht in ander­er Leute Files stöbern.
  4. Du sollst nicht den Com­put­er zum Stehlen benutzen.
  5. Du sollst nicht den Com­put­er benutzen, um falsches Zeug­nis abzule­gen.
  6. Du sollst nicht Soft­ware benutzen oder kopieren, für die Du nicht gezahlt hast.
  7. Du sollst nicht ander­er Leute Ressourcen ohne deren Erlaub­nis ver­wen­den.
  8. Du sollst nicht ander­er Leute geistig Werk als Deines aus­geben.
  9. Du sollst über die sozialen Kon­se­quen­zen Dein­er Pro­gramme nach­denken.
  10. Du sollst den Com­put­er so benutzen, daß Du Ver­ant­wor­tung und Respekt zeigst.

Dem habe ich nicht mehr viel hinzuzufü­gen, auss­er: ich wün­sche mir, dass sich diese 10 Gebote in die Wahrnehmungswelt der erfol­gre­ichen, jun­gen, männlichen, kinder­losen Mehrheit der Entwick­ler bess­er durch­set­zen, und dass es immer mehr wer­den, die auf keinen Fall Soft­ware zu unethis­chen Zweck­en pro­duzieren wür­den. Nicht nur klägliche nicht ein­mal 20 %.

21. November 2018
von admin
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3 x 8 = 24 oder auch: wie ich meine zwei Berufe unter einen Hut bringe

Ich bin ja nicht nur ITlerin, son­dern auch Kün­st­lerin (und Handw­erk­erin), und betreibe bei­de Berufe mit Begeis­terung und vollem Ein­satz. Seit vie­len Jahren schon, ich bin in den frühen 90er Jahren mit der Infor­matik ins Beruf­sleben eingestiegen, und ich male seit ca. 2000 genau­so Full­time. Dazu kom­men noch meine diversen Bas­tel- und Han­dar­beit­spro­jek­te, und Möbel bauen und restau­ri­eren tu ich auch noch mit Begeis­terung. Vom Haushalt und mein­er eben­falls mit gross­er Freude betriebe­nen Lei­den­schaft fürs Kochen & Fre­unde zum Essen ein­laden noch gar nicht zu reden…

Wie schaffe ich das alles? Ganz ein­fach, ich nutze meine Tage so aus, dass ich Zeit für all diese Dinge finde. Ein nor­maler, gesun­der Erwach­sen­er braucht ca. 6–7 Stun­den Schlaf pro Nacht, mir reichen 6, wenn ich dann tagsüber noch eine Stunde Nick­erchen hal­ten kann, rech­nen wir mal 7 Stun­den. Bleiben von 24 Stun­den noch 17 übrig.  Grosszügig berechne ich mal jew­eils eine Stunde für Früh­stück, Mit­tag- und Aben­dessen, Rest 14 Stun­den. Macht so gut wie zwei ganze Arbeit­stage mit jew­eils 7 Stun­den, da kann man schon was damit anfan­gen!

Ich arbeite allerd­ings lieber Teilzeit, und weil ich ver­dammt schnell bin schaffe ich in 6 Stun­den mehr als manch ander­er in 8 Stun­den und mehr. Also nehme ich mal sechs Stun­den für jede Arbeitspe­ri­ode, bleiben 2 Stun­den übrig, die ver­wende ich Abends zum rumhän­gen, tele­fonieren, Musik hören oder mal einen Film oder ein Musi­cal guck­en.

Bei mein­er einen Stunde für das Früh­stück ist schon die Zeit mit drin, die ich brauche um mir mein frisches Sesam­sem­melchen beim Rewe zu holen, dabei erledi­ge ich neben­bei den Tage­seinkauf schon mal mit. Die Stunde Mit­tag geht für mein Schläfchen und den anschliessenden frischen Kaf­fee drauf, eine Stunde am Abend reicht mir zum Kochen & gepflegt Essen.

Den Haushalt schmeisse ich unter der Woche so neben­bei, ich hab eine Spül­mas­chine die mir den Abwasch abn­immt (ich has­se abspülen!), ich fahre wenns unbe­d­ingt sein muss mal schnell mit dem Staub­sauger durch die Bude oder hänge Wäsche auf, das ist eine Sache von weni­gen Minuten. Grössere Putza­k­tio­nen erledi­ge ich am Sam­stag, da wird nur in Aus­nah­me­fällen beru­flich gear­beit­et.

Sum­ma sum­marum habe ich also an jedem Werk­tage zwei mal 6 Stun­den Zeit, mich meinen bei­den Berufen zu wid­men. Da geht schon was — da geht sog­ar sehr viel, denn ich bin wie gesagt ver­dammt schnell.

Was ich über­haupt nicht mache: Zeit “ver­bren­nen”. Ich bleibe (auss­er am Son­ntag) nicht im Bett liegen, wenn ich schon aus­geschlafen habe. Ich hocke abends nicht stun­den­lang vor der Glotze, und tagsüber erst recht nicht. Ich mache keine Com­put­er- und Videogames, keine Kreuz­worträt­sel und kein Sudoku. Ich lese noch nicht mal Zeitung, weil ich mich über das Tages­geschehen lieber Online informiere oder Nachricht­en im Radio höre.

Ja aber, höre ich die Skep­tik­er maulen, entspannst du dich denn gar nicht? Was glauben sie, wie tiefe­nentspan­nt ich bin, wenn ich Nach­mit­tags 6 Stun­den ohne Störung an ein Aquarell hinge­malt habe oder mich mit Hingabe ein­er kom­plizierten Han­dar­beit gewid­met habe, oder ein frisch aufgear­beit­etes Möbel mit Schel­lack und dem Polier­ballen behan­delt habe.

Und was ist mit Urlaub? Gemach, gemach. Erstens fahren wir jedes Jahr Ende Juli/Anfang August zwei Wochen an den Walchensee in unser pri­vates Urlaub­sparadies, und das ist jedes­mal ganz wun­der­bar. Und dann ver­lege ich auch während der Bade­sai­son (also etwa von Mai bis Sep­tem­ber) meinen Hob­by-Arbeit­stag nach draussen. Dann nehme ich halt meine Mal­sachen oder die Han­dar­beit mit, und sitze spätestens um 12 im Bus zum Bag­gersee. Da bleibe ich bis ich so gegen 18 Uhr Kohldampf kriege, und auf dem Heimweg kehre ich oft in meinem Lieblings-Biergärtchen ein und leiste mir noch ein gepflegtes Radler oder einen Russen, bevor ich zum Aben­dessen heim­fahre. Ich bin also bei schönem Wet­ter im Som­mer jeden Tag draussen, und da zählt wirk­lich jed­er Tag als Urlaub­stag, wenn man den Erhol­ungswert betra­chtet.

Habe ich noch was vergessen? Ach ja, die Woch­enen­den! Ver­bringe ich wann immer es geht mit meinem besten Fre­und Wolfi, wir besuchen uns gegen­seit­ig und machen im Som­mer Motor­rad­touren in die Berge oder im schö­nen Alt­mühltal, oder wir pack­en ein Pick­nick ein und ver­brin­gen den Tag am See oder den Abend im Bier­garten. Im Win­ter besuchen wir die Wei­h­nachtsmärk­te, gehen auch mal zum Ski­fahren, oder machen es uns zuhause vor dem Kamin gemütlich, und ich koche dann immer etwas beson­ders Gutes. Erhol­ung pur! Woch­enen­den ohne Wolfi nutze ich für meine anderen Fre­und­schaften und für die Fam­i­lie, da wird mir auch nicht lang­weilig.

So, liebe Leser, bringe ich meine zwei Berufe ganz lock­er unter einen Hut ohne dass Streß aufkommt, und ich hab auch noch jede Menge Spaß dabei! 🙂

 

19. November 2018
von admin
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Mein kleines Museum der Zeitgeschichte

Als ich ein Teenag­er war, hat­te ich eine sehr klare Vorstel­lung davon, was ich ein­mal wer­den wollte: Restau­ra­torin. Ich wollte eine Lehre als Kirchen­ma­lerin, Ver­golderin oder Möbelschreiner­in machen, und dann die staatliche Aus­bil­dung zur Restau­ra­torin drauf­set­zen. Es hat nicht sollen sein, meine Eltern bestanden darauf dass ich das Abitur mache und studiere, und let­z­tendlich hat mir das auch nicht geschadet, denn so bin ich in der IT-Branche gelandet und habe einen Beruf gefun­den, den ich auch sehr liebe. Aber der Traum von der Restau­ra­torin ist mir immer geblieben, und eins mein­er lieb­sten Hob­bies ist es, alte Sachen zu restau­ri­eren und ihnen einen neuen Platz und neuen Glanz zu geben.

Ich habe in mein­er schnuck­e­li­gen kleinen Bude ganz viele Erb­stücke ste­hen, die ich eigen­händig vor dem Sper­rmüll gerettet habe, und die ich eigen­händig wieder auf Hochglanz gebracht habe. Der Schreibtisch, auf dem mein Lap­top ste­ht, ist ein Schreib­maschi­nen­tisch aus den 40er Jahren mit zauber­haftem Nußbaum-Spiegel­furnier, den ich vor gut 20 Jahren aus ein­er Woh­nungsauflö­sung gerettet habe. Der ele­gant geschwun­gene Stuhl auf dem ich sitze stammt von meinen Großel­tern väter­lich­er­seits und ist min­destens 80 Jahre alt. Im Win­ter­garten draussen ste­ht die Armeetruhe meines All­gäuer Opas, mit der ist er durch den ersten Weltkrieg gezo­gen, da sind meine Motor­rad­klam­ot­ten drin. Daneben ste­ht die kleinere Holztruhe, die mir mein ander­er Opa für mein Jugendz­im­mer geschrein­ert hat, in der hat meine Schallplat­ten­samm­lung ihren Platz gefun­den. Der dre­itürige schön furnierte Klei­der­schrank in meinem Schlafz­im­mer ist auch schon min­destens 60 Jahre alt, aber so sta­bil gefer­tigt und mit so hochw­er­ti­gen Mon­tageschlössern verse­hen, dass da nichts wack­elt und sich nichts ver­zo­gen hat in all den Jahren, der ste­ht da wie neu. Vorne am Ein­gang ste­ht eine zier­liche Frisierkom­mode aus der Nier­en­tisch-Ära, in deren Spiegel gucke ich mich jedes­mal an, bevor ich aus dem Haus gehe.

Kom­men wir langsam zur Neuzeit: meine Ord­ner ste­hen in den sel­ben Ikea Ivar-Regalen, die ich schon in meinem Jugendz­im­mer in den 70er Jahren hat­te, und die Stehlampe an meinem (eben­falls selb­st ren­ovierten) Wohnz­im­mer­tisch stammt auch aus dieser Zeit. Das hüb­sche Küchen­büf­fet aus mas­sivem Kiefern­holz, das so gut zu den Ikea-Regalen passt, habe ich von mein­er Mama geerbt, die hat­te es auch schon min­destens 20 Jahre. Mein guter Dual-Plat­ten­spiel­er ist so alt wie meine Schallplat­ten, also etwa aus den 80er/90er Jahren, und funk­tion­iert noch ein­wand­frei.

Auch in mein­er Küche tum­meln sich die Antiq­ui­täten, da ste­ht die orange Knödelschüs­sel von der Oma neben dem Elek­tro­grill aus den 60er Jahren, in dem ich so gerne meine Grill­spezial­itäten zubere­ite. Der Fleis­chwolf — Qual­ität von Rit­ter-Werke — stammt auch von der Oma, der kriegt immer wieder mal eine neues Mess­er und funk­tion­iert 1a. Die Nudel­mas­chine hat mir die Sig­no­ra Fani­ni aus Verona geschenkt, bei der war ich in den 70er Jahren auf Schüler­aus­tausch zu Gast. Mein ele­gantes Tee- und Kaffe­ser­vice aus cre­me­far­ben­em Porzel­lan mit Gol­drand habe ich von der Mama eines Kom­mili­to­nen geerbt, das war in den 80er Jahren, und da war das Ser­vice schon alt, das ist eine echte Antiq­ui­tät.

Meine älteste Strick­mas­chine (ich habe 3) und meine wun­der­bare Näh­mas­chine sind unge­fähr gle­ich alt, so ca. 40 Jahre. Bei­de sind fein­mech­a­nis­che Meis­ter­w­erke und funk­tion­ieren Dank guter Wartung und Pflege wesentlich bess­er als alle mod­er­nen Maschi­nen, die ich bish­er aus­pro­biert habe. Meine grosse Schnei­der­schere hab ich vom Opa geerbt, und das Nadelmäp­pchen mit der zauber­haften Petit-Point-Stick­erei von der Oma. Meinen Schmuck bewahre ich in mehreren kleinen, kun­stvoll mit Intar­sien verzierten Holzschat­ullen auf, die meine Omas schon von ihren Omas geerbt haben, das sind Jugend­stil­w­erke und mit­tler­weile echt wertvoll, aber ich geb sie nicht her.

Ich kön­nte noch lange so weit­er­erzählen, in meinem Haushalt tum­meln sich wirk­lich die Antiq­ui­täten allerorten und wer­den nach wie vor ver­wen­det, ein­fach weil sie zweck­mäs­sig, halt­bar und zuver­läs­sig sind und ihre Auf­gaben bestens erfüllen. Das enthebt mich der Notwendigkeit, mir einen Haufen Zeug neu zu kaufen, weil die alten Geräte auf Dauer­haftigkeit und Lan­glebigkeit gebaut sind, und bei guter Pflege ihren Dienst tun wer­den, bis ich sie eines Tages mal weit­er vererbe. Bis dahin lebe ich mit dem ganzen “Oidn Graf­fel” und liebe es, wenn mir meine alten Sachen ihre täglichen Geschicht­en von damals erzählen. Von unseren Eltern, und Omas und Opas und Urgroßel­tern, die ganze Fam­i­lie hat sich bei mir ver­sam­melt und leis­tet mir im täglichen Leben Gesellschaft. Ich bin gerne Kura­torin in meinem kleinen Muse­um der Zeit­geschichte, und die Leitung der Restau­ra­toren­werk­statt habe ich oben­drein. So habe ich mir den Beruf­swun­sch mein­er Jugend let­z­tendlich doch noch erfüllt.

19. November 2018
von admin
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Die Tafeln: wie Bürger zu Bettlern gemacht werden

Am Anfang stand eine gute Idee. In unser­er Gesellschaft wer­den täglich Tausende und Mil­lio­nen von Ton­nen Lebens­mit­tel weggeschmis­sen, die noch per­fekt zum men­schlichen Verzehr geeignet wären. Von den Läden und Super­märk­ten, wenn das Mhd in Kürze abläuft. Von den Kneipen und Restau­rants, was die Küche an dem Abend nicht ver­w­erten kon­nte. Von Par­ties und Ver­anstal­tun­gen, was die Gäste nicht gegessen haben.

Diese übrigge­bliebe­nen Lebens­mit­tel, so die Idee, kön­nte man doch ein­sam­meln und an Bedürftige verteilen, an Obdachlose, HarzIVler, an Asy­lanten und Soziel­hil­feempfänger. Und so wur­den die Tafeln ins Leben gerufen, gemein­nützige Organ­istaio­nen, die die Lebens­mit­tel ein­sam­melten und an Bedürftige umson­st oder gegen geringes Ent­gelt weit­er­gaben. Näheres kann man hier bei Wiki nach­le­sen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Tafel_(Organisation)

Eine prinzip­iell sehr gute Idee, und mir schon von dem her sym­pa­thisch, weil ich dazu erzo­gen wor­den bin, keine Lebens­mit­tel wegzuschmeis­sen, die noch ess­bar wären.

Aber in der Durch­führung der an sich guten Idee krankt es, und zwar ganz schw­er. Die Träger der örtlichen Tafeln sind meist gemein­nützige Organ­i­sa­tio­nen, die mit ehre­namtlichen Helfern arbeit­en. Das bedeutet unter anderem, dass die aus­geben­den Per­so­n­en nicht sozialpäd­a­gogisch oder sonst­wie aus­ge­bildet sind, und dass die Organ­i­sa­tion gelinde gesagt oft stüm­per­haft ist. Lange Wartezeit­en sind an der Tage­sor­d­nung, oft dauert es eine Stunde und länger nach dem geset­zten Ter­min, bis die Lebens­mit­te­laus­gabe tat­säch­lich begin­nt, und dann ste­ht man da und kann nicht weg und ste­ht sich die Füße in den Bauch. Unter freiem Him­mel, bei jedem Wet­ter, bei 30 Grad im Schat­ten und bei 10 Grad minus und Schneesturm. Es hil­ft nichts, bei der Tafel ist warten ange­sagt, wer Lebens­mit­tel bekom­men will, braucht extrem viel Geduld.

Wenn die Aus­gabe dann endlich begin­nt, geht sie oft schlep­pend voran, weil die ehre­namtlichen Helfer ganz unter­schiedlich schnell arbeit­en, und manche von ihnen sich sehr viel Zeit lassen und meinen, sie müssten ihre Kund­schaft mit Kon­ver­sa­tion beglück­en. Dann kommt es zu Staus an den betr­e­f­fend­en Sta­tio­nen, und es geht wieder mal nichts weit­er. Ausser­dem kom­men jet­zt auch noch die Nachzü­gler, diejeni­gen die erst Stun­den nach dem ange­set­zten Ter­min erscheinen, und diese wer­den je nach Organ­i­sa­tion entwed­er nach hin­ten ans Ende der Schlange geschickt, oder schlimm­sten­falls noch vor denen ein­gerei­ht, die pünk­tlich da waren. Das verur­sacht sehr oft Unmut und sog­ar offe­nen Stre­it unter den Wartenden, und das kann man auch ver­ste­hen.

An der ersten Sta­tion, am Kühlwa­gen, geht es oft etwas flot­ter voran, weil hier gerne jün­gere Helfer einge­set­zt wer­den, denen die Kälte im Wagen nicht so viel aus­macht. Die sind dann aber oft der­massen von der flot­ten Truppe, dass sie dir die Lebens­mit­tel schneller in die Tasche schmeis­sen als du “ja bitte” oder “nein danke” sagen kannst, ohne Rück­sicht darauf ob etwa Joghurt­bech­er einge­drückt oder frische Eier zer­quetscht wer­den. Ausser­dem gibt es am Kühlwa­gen viele Lebens­mit­tel oft nur in Riesen­men­gen: Leberkäse und Wurst in Kilo­pack­un­gen, Feinkost­salate in Eimern, Pommes in Großver­braucherge­binden. Ganz davon abge­se­hen dass das für eine Einzelper­son zu schw­er zum schlep­pen ist, was soll ein ein- oder zwei Per­so­n­en­haushalt mit der­ar­ti­gen Men­gen?  Kann man das nicht vorher in haushalts­gerechtere Por­tio­nen aufteilen, so dass nicht nur die Groß­fam­i­lien etwas davon haben?

An der näch­sten Sta­tion gibt es Kartof­feln, und die waren bei unser­er Tafel immer das Beste. Erstens von her­vor­ra­gen­der Qual­ität von einem Bauern aus dem Dachauer Hin­ter­land, und zweit­ens war der Kartof­fel­mann so super, der hat­te seine Aus­gabe per­fekt im Griff. “Wieviele Kartof­ferl wollen’s denn? Große oder kleine oder gemis­cht?” Da bekam man genau das, was man auch haben mochte, und fre­undlich war der Kartof­fel­mann oben­drein. Weniger schön waren an der gle­ichen Sta­tion die Karot­ten: das war immer Bruch­ware, und oft schon angeschim­melt oder schwarz ver­färbt, das hätte noch nicht ein­mal mehr als Viehfut­ter getaugt.

Das ist über­haupt ein Riesen­the­ma bei den Tafeln: es liegt an den Organ­isatoren, die Lebens­mit­tel auszu­sortieren, die defin­i­tiv nicht mehr zum Verzehr geeignet sind. Meis­tens tun sie das nicht gründlich genug. Matschiger Salat, ange­faulte Gemüse, angeschim­melte Erd­beeren, gelb ver­welk­ter Broc­coli und schmierige Champignons, der­ar­tig unap­peti­tliche Ware ist lei­der oft an der Tage­sor­d­nung. Oft sieht man bei ver­pack­ten Gemüsen die Verderb­nis erst, wenn man sie zuhause aus­packt: da hil­ft dann nur noch rig­oros wegschmeis­sen.

Wenn man sich weigert, angegam­meltes Obst und Gemüse einzu­pack­en, kriegt man dann schon mal so herzige Sprüche zu hören wie “Bei der Tafel darf man nicht wäh­lerisch sein!” oder “Wir gehen für sie bet­teln, jet­zt nehmens das mit, son­st gibt es gar nichts mehr!” Toll, nicht wahr?

Beson­ders unap­peti­tlich fand ich auch immer die Art und Weise, wie mit dem frischen Brot umge­gan­gen wurde. Das lag durcheinan­der offen und unver­packt in grossen Grabbelka­r­tons, jed­er tatschte daran herum, und wer weiß was hier unter freiem Him­mel an Insek­ten und Vogelscheisse schon auf dem Brot gelandet war. Mir hats da so gegraust, dass ich nie offen liegen­des Brot mitgenom­men habe, höch­stens gut ver­pack­te Ware, wenn es die denn mal gab.

Die ganze Aktion dauert im Schnitt mit den lan­gen Wartezeit­en sowas wie 2–3 Stun­den, wenn es Quere­len oder Unregelmäßigkeit­en gibt, auch schon mal länger. Und wenn man da so bei jedem Wet­ter stun­den­lang in der Schlange ste­ht, kom­men einem schon die einen oder anderen Gedanken, dass man sich hier die Wohltätigkeit sauer ver­di­enen muss. Auch ein Sozial­hil­feempfänger hat seine Zeit nicht gestohlen.

Sowas läßt sich auch anderes organ­isieren. Ich habe von Tafeln gehört, die eigene Aus­gaberäum­lichkeit­en mit Waren­re­galen und Kühltheken unter­hal­ten, wo man hinge­hen kann wie in einen Kau­fladen, sich die Ware die man haben möchte selb­st aus­suchen kann und nicht stun­den­lang in ein­er Warteschlange ste­ht. Da wird man dann auch nicht gezwun­gen, allen möglichen bere­its ver­dor­be­nen Ram­sch mitzunehmen, son­dern kann frei wählen was einem appeti­tlich und gut ver­w­ert­bar erscheint.

Den Fehler machen die Tafelmi­tar­beit­er näm­lich auch gern, dass sie einem viel zu viel ein­pack­en, weil sie von irgen­dein­er Ware jet­zt ger­ade die Menge da haben. Dabei müsste ihnen klar sein, dass die meis­ten Tafelk­lien­ten die Lebens­mit­tel zu Fuß oder besten­falls im Trol­ley oder Kinder­wa­gen heim­schlep­pen müssen, und kein­er ein Auto hat, wo man die Waren­men­gen ein­fach in den Kof­fer­raum steck­en kön­nte.

Wie ich ein­gangs sagte, ich halte die Grun­didee der Tafeln für gut und ehren­wert. Aber an der Durch­führung man­gelt es ganz fürchter­lich. Man wird oft wie ein Bet­tler behan­delt, und dann fühlt man sich auch so. Für viele Teil­nehmer ist die Tafel eine wöchentliche psy­chis­che Belas­tung, die sie nur in Kauf nehmen, weil sie auf die kosten­losen Lebens­mit­tel angewiesen sind. Noch jed­er den ich kenne war froh, wenn es ihm wirtschaftlich wieder bess­er ging und er nicht mehr zur Tafel gehen musste. Das, liebe Leser, soll mein Schluss­wort sein. Macht die Tafelk­lien­ten bitte nicht zu Bürg­ern zweit­er Klasse. Sie haben Achtung und anständi­ge Behand­lung ver­di­ent. Sie sind keine Bet­tler.

18. November 2018
von admin
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Web Developer — die neuen Rock Stars?

Wenn man heutzu­tage einen beliebi­gen Stepp­ke fragt, was er denn ein­mal wer­den möchte, bekommt man in 90 % der Fälle die Antwort: Inter­net Pro­gram­mier­er! Allen­falls noch Spielkon­sole-Pro­gram­mier­er, aber das ist dann auch schon fast das­selbe. Der Hype in der Branche ist eben­falls unglaublich. Da wird von “Code Nin­jas” geschwärmt, von “Rock Star Codern” und “Web Heroes”. Das ist sog­ar schon lange in die Stel­lenanzeigen übergeschwappt, wo immer wieder voll­mundig Stellen für “Full Stack Devel­op­er” und “Senior PHP/UI/UX Design­er” ange­priesen wer­den.

Inter­net­pro­gram­mier­er sind In, sie sind die neuen Rock­stars der IT-Branche und unglaublich gefragt. Ausser­dem kön­nen sie ein irres Geld ver­di­enen und sich in 80-Stun­den-Jobs nach Belieben auch gle­ich zügig an den Burnout her­a­nar­beit­en. Wenn man das alles so liest, fragt man sich wirk­lich ob es ausser­halb des Web über­haupt noch eine IT gibt, oder ob sich heutzu­tage alles nur ums Inter­net dreht.

Ja klar, keine Fir­ma kommt heutzu­tage ohne eigene Webpräsenz aus. Sog­ar der Tante-Emma-Laden an der Ecke, der Dorf­friseur und die Autow­erk­statt brauchen eine Vis­itenkarte im Web, ohne gehts ein­fach heutzu­tage nicht mehr. Aber dafür braucht man kein Ruby on Rails, kein Sym­fony und erst recht kein Typo 3, und auch für die Inter­net­präsen­zen mit­tlerer und grösser­er Betriebe reicht mein­er Erfahrung nach ein vernün­ftiges, han­dlich­es CMS wie Word­Press, Joom­la oder Dru­pal vol­lkom­men aus. Eine Aus­nahme machen da höch­stens Fir­men, die in grossem Stil Ver­trieb, Mar­ket­ing und Verkauf über ihre Web­seite abwick­eln wollen, und auch hier­für gibt es vernün­ftige Soft­ware, die ohne grossen Pro­gram­mier­aufwand die Erstel­lung auch umfan­gre­ich­er und kom­plex­er Web­shops erlaubt.

Was machen also all die Code Nin­jas und Rock Star Devel­op­er da draussen? Das ist eine sehr berechtigte Frage. Web­seit­en und Apps entwick­eln, natür­lich, und das allerneueste an UI/UX für eine erfol­gre­iche Cus­tomer Jour­ney imple­men­tieren — was nix anderes heisst, als dass es Sinn und Zweck des ganzen Affenthe­aters ist, etwas zu verkaufen. Was sage ich, Unmen­gen von Was-auch-immer zu verkaufen und fette Prof­ite damit zu machen! Denn das überse­hen die vie­len Möchte­gern-Inter­net­pro­gram­mier­er gerne: es geht im Web nicht um Ruhm, Ehre und Glam­our, es geht um Prof­it, und um nichts anderes. Mit allen Mit­teln.

Das nächst gefragteste Berufs­bild sind SEO-Experten, auch hier herrscht eine irre Nach­frage, und die Head­hunter und Per­sonal­dien­stleis­ter reis­sen sich um jeden Kan­di­dat­en, der SEO auch nur richtig buch­sta­bieren kann. Tscha, und um was gehts hier? Um die Mess­barkeit des Erfol­gs der gnaden­losen Mar­ket­ingkam­pag­nen, um hochge­puschte Zahlen­spiel­ereien, die bele­gen sollen dass der Webauftritt auch den gewün­scht­en Erfolg erzielt: viele Besuch­er, viele Klicks, viel Verkauf, viel Prof­it.

Mehr steckt nicht dahin­ter.

Mich reisst wed­er das eine noch das andere vom Hock­er. Ich bin eine gute Web­de­signer­in, ich spreche fließend PHP und Javascript, ich bin MySQL-Exper­tin und hab eine gute Ahnung von Mobile First App­lika­tio­nen. Ich habe aber kein­er­lei Ambi­tio­nen, mein Beruf­sleben als Hand­lan­gerin der Mar­ket­inghei­nis und Wer­be­fritzen zu fris­ten, da käme ich mir nur wie ein bil­liges Werkzeug in einem ziem­lich schmutzi­gen Geschäft vor.

Ich habe andere Ambi­tio­nen. Durch mein Engage­ment in Sachen Bar­ri­ere­frei­heit habe ich in den let­zten Jahren unheim­lich viel über assis­tive Tech­nolo­gien gel­ernt, und ich lerne täglich neue und span­nende Entwick­lun­gen dazu. In seinem hochin­ter­es­san­ten, visionären Artikel:
“Heck yes, acces­si­bil­i­ty — let’s make the future awe­some” (frei über­set­zt: “Zum Don­ner, ja zur Bar­ri­ere­frei­heit, laßt uns die Zukun­ft affengeil gestal­ten!”)

beschreibt Mis­cha Andrews seine Vision von der dig­i­tal­en Zukun­ft, die erst durch die Forschung und Entwick­lung für bar­ri­ere­freie App­lika­tio­nen jed­wed­er Couleur ermöglicht wird. Von der Sprach­s­teuerung bis hin zur Bedi­en­barkeit eines Com­put­ers nur durch Augen­be­we­gun­gen, vom Daten­hand­schuh bis zum Vir­tu­al Real­i­ty Lab, von fahrerlosem Indi­vid­u­alverkehr bis zu wirk­lich per­son­al­isierten PDAs, er zeigt auf, welche wirk­lich inno­v­a­tiv­en Wege erst durch die forscherische, wis­senschaftliche Beschäf­ti­gung mit der Bari­ere­frei­heit eröffnet wer­den. Das kann einem fast schon ein biss­chen Angst machen, es gemah­nt ein biss­chen an die Schöne Neue Welt — aber es liegt an uns, uns nicht durch die Tech­nik beherrschen zu lassen, son­dern die Tech­nik als Mit­tel für unsere Zwecke einzuset­zen.

Andrews bringt es auf den Punkt: es ist seine Vision, und die macht Mut und Hoff­nung:

“A world where peo­ple man­age tech, not where tech man­ages peo­ple”
Eine Welt, in der die Men­schen die Tech­nolo­gie man­a­gen, und nicht die Tech­nolo­gie den Men­schen.

Amen, liebe Leser. Das ist die dig­i­tale Zukun­ft, das ist “where it’s at”. Ich will kein Rock­star Web­de­sign­er wer­den, ich will einen men­schen­würdi­ge und men­schen­fre­undliche dig­i­tale Zukun­ft aktiv mit­gestal­ten. Das ist meine Vision, mein Traum, und den ver­suche ich auch zu leben. Ich ste­he erst am Anfang dieser span­nen­den Reise, es gibt noch irre viel zu ler­nen und zu erforschen für mich. Aber die ersten Schritte sind getan, und ich habe ein Ziel vor Augen. Eines davon ist “A brighter, clear­er Web”, um mal bei der Inter­net­pro­gram­mierung zu bleiben. Aber da gibt es noch viel mehr, und ich bin sich­er, dass ich meine Nis­che, meinen Experten­platz in der Gestal­tung dieser pos­i­tiv­en dig­i­tal­en Zukun­ft find­en werde. Damit möchte ich mich für den Rest meines Beruf­slebens beschäfti­gen, und was soll ich sagen: es sieht gut aus. Die inten­sive Beschäf­ti­gung mit der Bar­ri­ere­frei­heit ist nur der erste Schritt auf einem span­nen­den Weg, aber sie ist ein guter Ein­stieg. Ich bin ges­pan­nt, wohin mich meine Reise noch führt, und ich werde bericht­en.

18. November 2018
von admin
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Ohne Sonntag gibt es nur noch Werktage

Das ist ein alter Gew­erkschafter-Spruch, den ich von meinem gesellschaft­spoli­tisch sehr engagierten Liebling­sonkel Hel­mut über­nom­men habe.

Geht es ihnen nicht auch so — Son­ntag ist Relax­tag, Son­ntag kann man lang auss­chlafen und noch bis Mit­tag im Schlafanzug rum­lüm­meln, es gibt ein aus­giebiges Son­ntags­früh­stück mit der ganzen Fam­i­lie, es wird auch schon mal die Glotze angemacht oder Musik gehört. Man gam­melt, und das mit Genuss. Und ganz ohne schlecht­es Gewis­sen, alle anderen gam­meln ja auch, weil heute die Meis­ten auch nicht arbeit­en müssen und auch das öffentliche Leben eine Ver­schnauf­pause macht.

Ich muss ja nun schon seit vie­len Jahren nicht mehr täglich ins Büro und kön­nte, wenn ich wollte, auch jed­erzeit unter der Woche einen Tag seli­gen Nicht­stuns ein­le­gen — aber ich mache es nicht. Nie. An jedem Werk­tag ste­he ich früh auf, schau dass ich in die Puschen komme, mache meine tägliche Arbeit und erst um fünf, sechs Uhr Feier­abend. Noch nicht mal der Sam­stag wird vergam­melt, da wird in der Früh fürs Woch­enende eingekauft, und den Rest des Tages ver­bringe ich im Haushalt, putze und wasche und staub­sauge und all so Kram den man halt machen muss, wenn man sich in sein­er Bude halb­wegs wohlfühlen möchte.

Der Son­ntag ist der Aus­nah­metag, allen­falls geset­zliche Feiertage kön­nen da in Sachen Gam­mel- und Relax­fak­tor noch mithal­ten. Wenn jet­zt am Son­ntag alles so wäre wie an allen anderen Wochen­t­a­gen auch, wenn alle Läden offen hät­ten, der Berufsverkehr die Stadt genau­so ver­stopfen würde wie an jedem Werk­tag, wenn alle Büros und Fab­riken weit­er­ar­beit­en wür­den und jed­er Arbeit­nehmer immer wieder Son­ntagss­chicht­en machen müsste, um all diese Betrieb­samkeit erst zu ermöglichen — wäre dann der Son­ntag noch etwas beson­deres?

Nein, behaupte ich aus Überzeu­gung. Das würde den Son­ntag kaputtmachen, der wäre dann nix weit­er als auch nur ein Werk­tag. Und das fände ich gelinde gesagt sehr schade. Wenn es nicht sog­ar gefährlich ist, denn wenig­stens einen Tag in der Woche sollte man zum Aus­ruhen ver­wen­den kön­nen, wenn man schon die ganze Woche hart arbeit­et. Da mögen all die umsatzgeilen Kon­sum­strate­gen noch so gierig auf die Ladenöff­nung am Son­ntag hin­ma­nip­ulieren, weil sie sich enorme Gewinne davon ver­sprechen — ich bin strikt dage­gen. Wir brauchen zumin­d­est diesen einen Tag in der Woche als Ruhe- und Fam­i­lien­tag, und wer unbe­d­ingt am Son­ntag noch kon­sum­ieren möchte, kann das ja unbeschränkt im Inter­net tun, da ist dem Kaufrausch keine Gren­ze geset­zt. Für alle anderen aber muss der Son­ntag bleiben was er ist: etwas Beson­deres, und eben kein Werk­tag.

 

18. November 2018
von admin
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Buchhalterkinder beschriften ALLES

…unter­getitelt: Ich wohne in ein­er Fab­rik mit angeschlossen­em Mag­a­zin 🙂

Das behauptet zumin­d­est meine beste Fre­undin, das Urmi. Sie hat da nicht ganz unrecht, denn ich bin ein gross­er Sel­ber­ma­ch­er vor dem Her­rn und lagere in mein­er schnuck­e­li­gen kleinen Bude Unmen­gen an Mate­r­i­al und Werkzeug für meine diversen Pro­jek­te. Als ich vor ein paar Jahren von 85 qm Alt­bau hier­her in mein kleines son­niges Dom­izil umge­zo­gen bin, musste ich gnaden­los aus­mis­ten und mir genauestens über­legen, was ich mit­nehme und was nicht. Ich hab mich damals von einem Haufen über­flüs­si­gen Krem­pel getren­nt und wirk­lich nur noch Dinge mitgenom­men, die ich auch ver­wende. Damit ich dabei nicht den Überblick ver­lor, ist das alles sehr sorgfältig geord­net, sin­nvoll ver­packt und aus­sagekräftig beschriftet (!) wor­den, und ich habe die ersten Wochen in mein­er neuen Bude damit ver­bracht, meine Lager­hal­tung und den Maschi­nen­park in Schuß zu brin­gen und so prak­tisch wie möglich einzuricht­en.

Maschi­nen­park? Aber ja doch, mit Begeis­terung!

Da ist zuerst mal das ganze Werkzeug, Bohrmas­chine, Schwingschleifer, Stich­säge, Dremel, Akkuschrauber und so weit­er mit­samt Zube­hör. Für all das habe ich ein Regal vorne am Ein­gang, da sind die Maschi­nen in ihren Kisten gestapelt, und das entsprechende Zube­hör — Bohrer, Dübel, Schleif­pa­pi­er etc. — in beschrifteten (!) Schuhkar­tons ein­ge­lagert.

Dann habe ich noch drei Strick­maschi­nen, die ich auch alle benutze, weil jede etwas anderes gut kann, was die anderen nicht kön­nen. Die lagern im Hochre­gal im Flur.  Die zuge­hörige Wolle habe ich nach Sorten und Far­ben geord­net in zwei Regalen im Wohnz­im­mer und in der Schublade unter dem Bett ver­staut, auch hier in beschrifteten (!) Kar­tons.

Zwei Näh­maschi­nen gibt es auch noch, eine Over­lock und eine wun­der­bare ca. 40 Jahre alte Bern­i­na, ein kleines Kunst­werk der Schweiz­er Maschi­nen­bauerzun­ft, die bess­er näht als alle mod­er­nen Näh­maschi­nen die ich bis­lang aus­pro­biert habe. Das Nähzube­hör, von A wie App­lika­tio­nen bis Z wie Zube­hör lagert im Schlafz­im­mer. Die kleineren Teile wie Näh­garn, Knöpfe, Reissver­schlüsse, Gum­mi und Bän­der etc. pp. steck­en in 8 Schubladen­box­en á 4 Schubladen, die ich alle säu­ber­lich beschriftet (!) habe, das macht 32 wohlge­ord­nete Schubladen. Patch­work­stoffe, Klei­der­stoffe und Schnittmuster habe ich oben auf den Schränken ver­staut, in deut­lich beschrifteten (!) Kar­tons. Dort oben lagern auch in beschrifteten (!) Box­en mein Vor­rat an Stick­ereigarn und ‑Stof­fen, meine Filz­wolle, und meine Vor­räte an bere­its fer­ti­gen selb­st­genäht­en oder gestrick­ten kleineren Werken, die immer dann zum Ein­satz kom­men, wenn ich mal ein fix­es kleines Geschenk brauche.

Habe ich noch was vergessen? Die Mal­sachen lagern samt den speziellen Blocks im Wohnz­im­mer, in beschrifteten (!) Box­en habe ich Acryl- Öl — und Aquarell­far­ben sowie Tusche und mein Kalligra­phi­eschreibzeug vor­rätig. Hier find­et sich in etlichen beschrifteten (!) Kar­tons auch mein Vor­rat an Glasperlen und Schmuck­zube­hör wie Drähte, Nylon­schnüre und Ver­schlüsse, sowie meine lei­der zur Neige gehende Samm­lung wertvoller böh­mis­ch­er Glass­chliff­perlen.

Kriegen sie langsam mit, wie der Hase hier läuft? Ich habe nun mal sehr viele Hob­bies, die ich aktiv betreibe, ich bin ständig am Werken und Basteln und Kreativeln. Und dafür brauche ich natür­lich mein Mate­r­i­al und das entsprechende Zube­hör. Da hat sich über die Jahre ein ganz schön­er Maschi­nen- Mate­r­i­al- und Werkzeug­park ange­sam­melt, und ich würde hier schon  lange nicht mehr durch­blick­en, wenn ich nicht streng­stens Ord­nung hal­ten würde. Dabei ist es unge­heuer hil­fre­ich, wenn jedes Ding seinen fes­ten Platz hat und man 1. nicht lange danach suchen muss wenn man es braucht und 2. es auch wieder dahin aufgeräumt wer­den kann, wo es hinge­hört.

Deswe­gen, und wenn ich auch manch­mal dafür belächelt werde: ich beschrifte alles. Ich bin ein Buch­hal­terkind, ich habe schon in früh­ester Jugend beim Papi im Büro Ord­nerrück­en und Kartere­it­er mit Sch­ablone und Tusches­tift beschriften dür­fen, und fand das damals schon ganz toll, weil jedes Ding seinen Platz hat­te und man alles wiederfind­en kon­nte. Es gibt da eine alte Fam­i­liengeschichte von der alten Tante, bei der gab es eine Schublade, die war beschriftet mit “Kleine Fade­nend­chen die nicht mehr zu gebrauchen sind”…

Und wis­sen sie was? Sowas habe ich auch.Ich samm­le näm­lich alle von meinen Strickar­beit­en abgeschnit­te­nen Fade­nend­chen in ein­er hüb­schen gold­far­be­nen Carti­er-Papiertüte, das ist meine “Kari­na-Tüte”. Wenn näm­lich die Tüte wieder mal voll ist,  packe ich die ganzen Wollfäd­chen in ein Päckchen und schicke sie an meine Inter­net-Han­dar­beits­fre­undin Kari­na, die freut sich sehr darüber, weil sie so gerne kleine Tierchen strickt und da die Woll­reste als ide­ales Füll­ma­te­r­i­al ver­wen­den kann. Waste not, want not, sagen die Amis, und da ste­he ich vollinhaltlich dahin­ter. Und ich beschrifte ALLES, denn ich bin ein Buch­hal­terkind 🙂

18. November 2018
von admin
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Es tut mir leid, aber du bist nicht gleichberechtigt

Ich habe ger­ade einen erschüt­tern­den Artikel von Dina Leyger­man gele­sen, in dem sie sehr klar zu den Frauen­recht­en heute Stel­lung bezieht. Hier ist erst­mal der Link:

https://medium.com/@dinachka82/about-your-poem-1f26a7585a6f

Dina bezieht sich auf einen Post, der wohl anlässlich des Women’s March in Philadel­phia 2017 die Runde durch die Social Media machte. Ich zitiere die Anfangssätze dieses Posts:

“I am not a “dis­grace to women” because I don’t sup­port the women’s march. I do not feel I am a “sec­ond class cit­i­zen” because I am a woman….”

Wörtlich über­set­zt: “Ich bin keine “Schande für die Frauen”, weil ich den Marsch der Frauen nicht unter­stütze. Ich füh­le mich nicht als “Bürg­er zweit­er Klasse”, weil ich eine Frau bin…”

Dina antwortet auf diesen Post, und sie tut dies mit Lei­den­schaft und wohl ange­brachter Vehe­menz. Es ist ein Fakt, lei­der immer noch, dass Frauen in unser­er Gesellschaft nir­gend­wo auf der Welt wirk­lich gle­ich­berechtigt sind. Wir ver­di­enen weniger Geld in den sel­ben Jobs wie Män­ner, wir haben weniger Macht, wir wer­den sex­uell belästigt und wegen unseres Geschlechts dumm angemacht, wir wer­den verge­waltigt, geprügelt und erschla­gen nur weil wir Frauen sind. Das ist bit­tere Real­ität, und bit­tere Wahrheit.

Und wenn nicht schon unsere Müt­ter und Großmüt­ter für Frauen­rechte auf die Bar­rikaden gegan­gen wären, hät­ten wir heute noch kein Frauen­wahlrecht, dürften immer noch die Ehemän­ner über unser Leben bes­tim­men, gäbe es keinen Mut­ter­schaft­surlaub und keine Geburtenkon­trolle. Ohne die ‑auch radikalen- Fem­i­nistin­nen kön­nte sich heute keine Frau in unser­er Gesellschaft frei und zumin­d­est halb­wegs gle­ich­berechtigt fühlen. Ohne die Frauen, die immer noch auf die Bar­rikaden gehen, weil wir immer noch in vie­len Gebi­eten benachteiligt wer­den, kön­nte es sich keine Frau in unser­er Gesellschaft leis­ten, sich auf ihr selb­st­ge­fäl­liges Sock­elchen zurück­zuziehen und dum­m­dreist zu behaupten :“Ich habs nicht nötig, Fem­i­nistin zu sein!”

Dina antwortet darauf mit ein­er lan­gen Liste von Fak­ten, die auch dem ver­nagelt­sten Dum­merchen klar machen müsste, dass bei der Gle­ich­berech­ti­gung der Frauen noch viel Arbeit zu tun ist. Dies kann jed­er sel­ber nach­le­sen, ich wieder­hole es hier nicht. Sie endet allerd­ings mit ein­er halb­wegs ver­söhn­lichen Note:

“I’m sor­ry to tell you, but you are not equal. And nei­ther are your daugh­ters.

But don’t wor­ry. We will walk for you. We will fight for you. We will stand up for you. And one day you will actu­al­ly be equal, instead of just feel­ing like you are.”

Frei über­set­zt:

“Es tut mir leid dass ich dir das sagen muss, aber du bist nicht gle­ich­berechtigt. Und deine Töchter sind es auch nicht.

Aber mach dir keine Sor­gen. Wir wer­den für dich auf die Strasse gehen. Wir wer­den für dich auf­ste­hen. Und eines Tages wirst du wirk­lich gle­ich­berechtigt sein, statt nur zu denken dass du es bist.”

Dem habe ich nichts hinzuzufü­gen. Schwere Kost für einen Son­ntag, aber Dinas Artikel ist wirk­lich lesenswert — vielle­icht heben sie ihn sich bis Mon­tag auf. Lesen soll­ten sie ihn allerd­ings, unbe­d­ingt.

18. November 2018
von admin
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Bekenntnisse eines Morgenmuffels

Ich bin ein entset­zlich­er Mor­gen­muf­fel. Ich brauche in der Früh unge­fähr zwei Stun­den, um auf Betrieb­stem­per­atur zu kom­men, und wehe wenn mich jemand dabei stört — Ansprechen auf eigene Gefahr! Beson­ders ätzend ist das, wenn ich mich unmit­tel­bar nach dem Auf­ste­hen mit ein­er Lerche abgeben muss, also einem echt­en Mor­gen­men­schen. Meine Mama war eine rein­ras­sige Lerche, und was habe ich als Kind gelit­ten, wenn sie mich schon mor­gens um sechs beim Weck­erklin­geln angezwitschert hat!

Der Witz ist: meine Umwelt hält auch mich für eine Lerche, weil ich anscheinend schon am frühen Mor­gen putz­munter und aktiv bin. Was die alle nicht wis­sen: ich hat­te dann schon min­destens zwei Stun­den Vor­lauf. Ich stelle mir keinen Weck­er, ich wache von sel­ber nach 6–7 Stun­den Schlaf auf und hab genug gepen­nt. Da ich meis­tens sehr früh ins Bett gehe, kann es also dur­chaus sein, dass ich schon mor­gens um vier aus dem Bett krieche, nur von einem einzi­gen süchti­gen Gedanken getrieben: Kaf­fee! Das Einzige was mich jet­zt ret­ten kann ist Kaf­fee!

Dann tapere ich in die Küche, und schon das Auf­schrauben, Befüllen und wieder Zuschrauben des Espres­sokän­nchens erfordert alle meine mech­a­nis­chen Fähigkeit­en. Dann sitze ich wie gelähmt da, bis das entzück­ende Blub­berg­eräusch des fer­tig durchge­brüht­en Espres­sos aus dem Kän­nchen wie Sphären­musik meine Ohren erfreut. Beseel­igt tän­zle ich wieder in die Küche, schenke mir mein Haferl Caffe Lat­te ein — Zuck­er nicht vergessen — und die erste Hürde ist geschafft, die Welt ist doch nicht so ein gräßlich­er Ort, wie ich anfangs befürchtet habe. Der erste Schluck des köstlichen Gebräus weckt meine Geschmack­n­er­ven, ich bevorzuge Lavaz­za Rossa, der ver­set­zt mich geschmack­stech­nisch unmit­tel­bar nach Bel­la Italia. Nach dem zweit­en oder drit­ten Schluck verge­ht das pelzige Gefühl auf mein­er Zunge, nach der ersten hal­ben Tasse des her­rlichen Gebräus lichtet sich auch der wat­tige Nebel in meinem Gehirn. Nach der ersten ganzen Tasse sehe ich allmäh­lich auch mehr als nur nebel­hafte Schemen, der Blick wird klar­er, ich brauche also doch keine neue Brille, gott­sei­dank!

Dann bin ich allmäh­lich bere­it für ein­fache motorische Tätigkeit­en. Ich stelle mir mein zweites Haferl Caffe Lat­te bere­it, nehme ein ein­fach­es Strickzeug in die Hand und stricke und schlürfe und schlürfe und stricke, bis das zweite Haferl alle ist. Der­weilen ist seit dem Auf­ste­hen lock­er eine Stunde ver­gan­gen, und so allmäh­lich schle­icht sich der Gedanke an ein früh­es Früh­stück in meine doch noch etwas neb­ulösen Gehirn­win­dun­gen. Ich stelle mir dann ein Schüsserl Hafer­flock­en mit Milch und Honig hin, und während die ein paar Minuten durchziehen dür­fen, geh ich mal Zäh­neputzen und mir das Gesicht waschen. Dann löf­fle ich mein Müs­li, und mein Magen nimmt das mit einem wohli­gen Schnur­ren zur Ken­nt­nis und sig­nal­isiert, dass er jet­zt auch langsam wach wäre. Etwas erfrischen­des käme jet­zt ger­ade recht, und ich schenke mir ein gross­es Glas Saft oder Schor­le ein, und nuck­le das genüsslich aus, während ich mich weit­er meinem Strickzeug widme.

Allmäh­lich wird der Kopf und der Blick klar­er, und man kön­nte mich jet­zt wahrschein­lich sog­ar schon ansprechen, ohne ein übel­lau­niges Knur­ren zu hören. Ist aber gott­sei­dank nie­mand da, ich kann noch ein wenig ungestört herumtritscheln und stricke noch ein Weilchen, während ich mir über­lege, mit was ich den Tag anfange. Typ­is­cher­weise checke ich dann zuerst mal meine E‑Mails, ich hab ja am vorigen Abend den Com­put­er schon recht früh aus­geschal­tet, und viele mein­er Fre­unde und Ver­wandten schreiben erst später am Abend, die hole ich jet­zt ab.

Beim Beant­worten der E‑Mails kommt mein Hirn dann auf Touren, und auch meine Fin­ger gewin­nen beim Tip­pen allmäh­lich wieder ihre fein­mo­torische Fer­tigkeit. Mit­tler­weile sind seit dem Auf­ste­hen etwa zwei Stun­den ver­gan­gen, und ich kann jet­zt endlich ohne zu Lügen behaupten: guten Mor­gen, ich bin jet­zt wach!

Dann koche ich mir noch Kaf­feenach­schub, kof­fe­in­freien wegen dem Flat­ter­mann, und fange mit der Tage­sar­beit an. Meis­tens tele­foniere ich schon früh zwis­chen sechs und sieben mit mein­er besten Fre­undin, und wir bequatschen alle anliegen­den Angele­gen­heit­en und helfen uns ein biss­chen gegen­seit­ig mit der Tage­s­pla­nung. Dann gehts aber echt los, jet­zt begin­nt meine kreativste Tage­sphase, der Mor­gen und der Vor­mit­tag! Da wird pro­gram­miert, geblog­gt, geplant, da wer­den Kon­tak­te gepflegt und neue Ideen geprüft und was nicht noch alles, da geh ich so richtig in die Vollen… aber da hat­te ich ja auch schon ein paar Stun­den Vor­lauf.

Und weil mich meine Umwelt nur in dieser Phase erlebt — vorher ist a) noch kein­er wach und ich bin b) noch nicht kom­mu­nika­tions­fähig — denken alle, ich wäre eine Lerche. Pfif­fkas, ich bin ein gräßlich­er Mor­gen­muf­fel — es merkt nur kein­er! 😉