Ich bin ein Kreativbolzen. Immer schon gewesen, schon als kleines Kind. Und weil das erkannt und gefördert wurde, besonders von meinen Großeltern, durfte ich meine Talente auch leben und entfalten. Ich durfte malen und basteln und nähen und handarbeiten, ich durfte Möbel restaurieren, das war schon als Schulmädchen meine Leidenschaft. Unsere Großeltern waren wunderbare Menschen und haben uns schon in frühester Jugend gelehrt, Freude mit einfachen Mittel zu finden. Opa war ein geschickter Handwerker und hat Steckenpferde, Puppenhäuser und Stelzen für uns gebaut, Oma war eine hochtalentierte Schneiderin und hat die schönsten Kleider für uns genäht. Ausserdem durften wir in ihrem Nähatelier mit den Resten spielen und Puppenkleider machen, das hat uns Mädchen die Liebe zur Mode und die Freude an schönen Anziehsachen gelehrt, das ist eine Einstellung die einer Frau im Leben viel Freude bringt.
Dabei waren Oma und Opa nach heutigen Massstäben arme Leute, Opa bastelte mit Holzresten aus der Schreinerei, Oma erstand unsere Kleiderstoffe immer nur nach Sonderangebot oder zwackte Reste von den Stoffen für ihre zahlenden Kundinnen ab. Das machte nichts, dieses Erschaffen von fantasievollen und schönen Dingen aus Resten lehrte uns, dass nicht alles teuer sein muss, was gut und schön ist. Meine Schulkameradinnen und Kameraden hatten alle ganz andere Spielsachen als wir, die Mädels sammelten Barbie-Puppen (die fand ich furchtbar, so zaundürr!) und die Jungs hatten Märklin-Eisenbahnen mit ganz viel teurem Zubehör und Carrera Rennbahnen mit sündteuren Rennwagen.
Wir hatten eine Brio-Holzeisenbahn, für die ich noch als Teenager aus Pappmaché und Sägespänen Berge und Täler bastelte und mit selbstgesammeltem Moos Wälder und Gebüsche draufstellte. Wir Mädels hatten jede eine Babypuppe und später eine mit Liebe ausgesuchte Mädchenpuppe, für die unermüdlich immer neue Kleider genäht wurden. Die Jungs hatten Teddybären, für die von uns Mädels zünftige Trachtenjacken und kernige Seemannspullover gestrickt wurden.
Wir hatten auch Eimerweise Legosteine, nicht die fertigen Sets, die waren viel zu teuer, sondern die bunt gemischten Steine in allen Grössen und Farben, aus denen wir ganze Städte bauten, und Autos und einen Tierpark und einen Markt und alles was uns in den Sinn kam. Man musste nur schnell sein und alle Legos wegräumen, wenn Mami mit dem Staubsauger kam, die saugte uns immer die Einser und Zweier Lego weg, und die brauchte man doch immer!
Wir haben auch ganz viel im Garten im Sandkasten gespielt, in den durften wir im Sommer Wasser einleiten, und da sassen wir an heissen Sommertagen wie die glücklichen Ferkelchen in der Suhle und bauten Dämme und Tümpel und liessen Schifferl schwimmen und matschten uns ein nach Herzenslust! Bevor wir wieder ins Haus durften, mussten wir uns ausziehen und der Reihe nach aufstellen, und Mami hat uns mit dem eiskalten Wasser aus dem Gartenschlauch abgespritzt, danach gings direkt in die Badewanne.
Was mich unsere Großeletern gelehrt haben: zu sehen, was aus den Dingen werden kann, wenn man mit etwas Fantasie und Liebe drangeht. Ein knorriges Wurzelstück wurde bei Opa ein wilder Hengst als Steckenpferd, ein Brokatrest von einem Abendkleid inspirierte die Oma zu einer Applikation auf dem Ballkleid meiner kleinen Schwester. Ich kann heute einen Haufen gemischte Glasperlen anschauen, und sehe Ohrringe, Armbänder und Colliers, wo andere nur bunt gemischtes Glas sehen. Ich kann einen Korb voller Wollreste nehmen, mit dem andere Strickerinnen nichts rechtes mehr anfangen können, und die schönsten bunten Patchworkstricksachen daraus entstehen lassen, das hab ich von meiner Oma gelernt. Das geht sogar noch auf einer anderen Ebene: ich kann an einem blauen Sommertag am Starnberger See, an dem man kaum das Bergpanorama sehen kann vor lauter Dunst, ein farbenfrohes Aquarell entstehen lassen, weil ich die feinsten Farbnuancen wahrnehme und für das Malen auf Papier verstärken und verfeinern kann. Ich sehe in der Tat mehr Farben als andere Menschen, deswegen bin ich Malerin.
Die Liste ist lang, kreative Menschen sind selten auf ein Handwerk, eine Kunstform beschränkt, sie sind oftmals der sprichwörtliche Hansdampf in allen Gassen und pflegen viele Talente. Der Trick ist aber immer: sehen was da ist, und erkennen was mit etwas Fantasie und Liebe daraus werden könnte. Das ist künstlerische Kreativität, und macht das Leben reicher.