In den vielen Essays und Artikeln, die täglich über das Display meines Notebooks geistern, finden sich zur Zeit gehäuft welche zum Thema Personal Finance. In unseren Zeiten des unbegrenzten Konsums ist es nunmal sehr leicht, mehr Geld auszugeben als man hat. Die aktuelle Patentlösung für chronische Geldnot bis hin zur Verschuldung heißt wieder einmal Minimalismus, oder auch Einfaches Leben, und befasst sich damit, bei jedem Cent den man ausgibt auch zu bewerten, ob das jetzt wirklich sein muss, oder ob man den Cent doch lieber für etwas anderes verwendet.
Denn, da sind sich die Experten einig, Minimalismus sei keine Sache des Verzichts, sondern eine Sache der Wahlfreiheit. Wer sich für ein einfaches Leben entscheidet, so heißt es, kann Ballast abwerfen und insgesamt glücklicher sein als vorher. Das setzt aber voraus, dass man mit dem Rotstift über alle Ausgaben geht und erst einmal identifiziert, wohin das schöne Geld jeden Monat entschwindet. Voraussetzung für eine minimalistische Finanzlösung ist, dass man seine Ausgaben sehr genau kontrolliert. Viele Experten raten dazu, wirklich jeden ausgegebenen Cent schriftlich mitzuprotokollieren, täglich und akribisch. Das finde ich für eine gewisse Übergangszeit OK, bis man besser im Blick hat wo denn nun wirklich die Lecks im Budget sind. Man kanns aber auch übertreiben, die ständige Kontrolle kann auch zum Selbstzweck werden, da wird Geiz dann wirklich geil und ein erstrebenswertes Ziel per se. Das kann dann leicht in die Obsession abkippen, und da wirds dann echt unschön.
Was ich auch nicht schön finde, ist wenn sich jemand anmasst, “glücklichen Minimalismus” als Patentlösung gegen Armut anzupreisen. Hartz IV und Altersarmut wegen zu niedriger Renten lassen sich nicht damit kurieren, dass man die Betroffenen zur akribischen Führung eines Haushaltsbuches zwingt. Wenns hinten und vorn nicht reicht, kann man das zwar somit nachweisen, aber geholfen ist einem damit nicht. Aber ich schweife ab — hier wirds mir zu politisch.
Wie dem auch sei, die strenge Kontrolle der monatlichen Haushaltsausgaben unter der Flagge “Minimalismus” wird als das neue Allheilmittel gegen persönliche finanzielle Schwierigkeiten angepriesen, und es gibt eine ganze Legion von Ratgebern, die dies als Neu und sogar als Chic und In verkaufen.
Ja sagt mal: gehts noch? Wer hat denn das jetzt alles neu erfunden? Erinnert sich noch jemand an den schönen alten Begriff “Haushaltsgeld”? Das gabs zu meiner Zeit (ha, ich werde alt!) in jeder Familie, das war ganz einfach der Geldbetrag, der der Hausfrau im Monat für die täglichen Ausgaben zur Verfügung stand. Das war oft mal auch ein Streitpunkt, zugegeben, aber im Großen und Ganzen stand fest, wieviel für Lebensmittel und Haushaltskram und Dinge des täglichen Bedarfs ausgegeben werden konnte. Damit da nichts aus dem Ruder lief, sammelte man die Kassenzettel der täglichen Einkäufe und führte damit ein Haushaltsbuch, so konnte man sehr schnell identifizieren, wenn sich irgendwo Ausgaben erhöht hatten. Dann wurde neu verhandelt, und entweder das Haushaltsgeld aufgestockt, oder die Mehrausgaben woanders eingespart. Eine gute Hausfrau hatte ihre Ausgaben stets im Blick, das gehörte zu den Grundlagen ihres Berufs und wurde von der Mutter an die Tochter so weitergegeben, über die Generationen.
Das war jetzt aber nur die halbe Miete, bildlich gesprochen. Wieviel Haushaltsgeld letztendlich zur Verfügung stand, hing natürlich vom gesamten Einkommen der Familie ab, und von den davon zu bestreitenden monatlichen Fixkosten. Miete, KFZ, Versicherungen, Strom, Gas, Wasser, Telefon… Urlaub, grössere Anschaffungen wie Möbel, TV oder Elektrogeräte für den Haushalt, Kosten für Schule und Ausbildung der Kinder, das alles rechnete man zusammen, und Haushaltsgeld konnte höchstens das sein, was übrigblieb. Meistens noch nicht einmal das, es gingen noch Beträge für Sparkonten, Bausparer und Abzahlungen für Wohneigentum und das Familienauto davon ab. Tscha, und erst der dann noch übrigbleibende Rest stand für den Haushalt zur Verfügung.
Voraussetzung für das Funktionieren des Systems war natürlich, dass man a) wusste wie es um die Einnahmen und Ausgaben der Familie stand und b) Hausherr und Hausfrau darüber offen und ehrlich miteinander redeten und ihr Budget partnerschaftlich verplanten. Ganz schön viel verlangt, nicht wahr? Aber so war die Abmachung, wenn man das Unternehmen Familie erfolgreich führen wollte.
Und so kann es auch heute noch funktionieren. Für Singles übrigens auch, die müssen dann nur vor sich selbst ehrlich sein und mit offenen Karten spielen. Wenn ich mir gerade einen neuen Laptop zugelegt habe, ist wahrscheinlich dass mein Budget im selben Monat einen Kurztrip nach Paris eigentlich nicht mehr erlaubt. Fahr ich halt übers Wochenende zu meinem besten Freund, der hat das Altmühltal vor der Haustür, da ist es auch schön. So funktioniert das mit der Wahlfreiheit… mal auch kleinere Brötchen backen, aber nicht immer nur knausern.
Vernünftig wirtschaften kann man nur, wenn auch ein Budget zum planen da ist, bei chronischer Ebbe in der Kasse sind wahrscheinlich einschneidendere Massnahmen gefragt. Eine zu teure Wohnung, das schicke Auto das man sich eigentlich nicht leisten kann, die Flugreise nach Thailand, die das Budget für den ganzen Winter kippt — da muss man hart gegen sich selbst sein und Gegenmaßnahmen ergreifen.
Vor allem von amerikanischen Autoren hört man oft den Rat, bei Geldmangel einen zweiten Job anzunehmen und z.B. nach Feierabend als Taxifahrer, Bedienung oder Barman zu jobben, aber das finde ich dann doch ein bisschen krass. Man braucht auch unter der Woche Freizeit und Erholung und kann sich ganz schnell kaputtarbeiten (Stichwort Burnout), wenn man da übertreibt. Mal ganz davon abgesehen, dass die Lebensqualität ganz schnell zum Teufel geht, wenn man nur noch am roboten ist. Da geht man doch lieber den unnötig fetten Ausgabeposten an den Kragen!
Ich bin selber vor ein paar Jahren aus einer 85 qm Altbauwohnung im schicken Haidhausen in eine halb so grosse, aber zauberhafte kleine sonnige Bude im hohen Norden von München umgezogen, weil fast mein ganzes Budget für die Miete drauf gegangen ist. Das war eine harte Entscheidung, aber es musste was passieren, die Wohnung wurde immer teurer und mein monatliches Budget immer schmaler, das machte gar keinen Spaß mehr. Heute bin ich froh, dass ich den Absprung damals geschafft habe. Die kleinere Wohnung hat schön Blick ins Grüne, reicht für mich als Single völlig aus und ist wesentlich leichter sauberzuhalten. Ich zahle nur ein Drittel an Miete im Vergleich zum Haidhausener Palast. Das ist sehr befreiend, ich kann ganz anders wirtschaften und mir Dinge leisten, die in Haidhausen einfach nicht drin waren, weil die überteuerte Miete mein ganzes Haushaltsgeld aufgefressen hat.
Geben sie sich einen Ruck! Gerade bei Prestigeobjekten wie einer teuren Wohnung, einem schnieken Auto und einer exklusiven Fernreise ist oft enormes Einsparungspotential drin, auch wenn man erst mal über seinen Schatten springen muss. Langfristig tut man sich aber einen grossen Gefallen, wenn man die dicken Budgetfresser eliminiert. Denn eins kann auch der modernste Minimalismus nicht ändern: das Thema Geld wird immer wichtiger, je weniger man hat. Und das Leben ist eigentlich zu schade dafür, sich ständig mit Geldsorgen abzuplagen!