Am Anfang stand eine gute Idee. In unserer Gesellschaft werden täglich Tausende und Millionen von Tonnen Lebensmittel weggeschmissen, die noch perfekt zum menschlichen Verzehr geeignet wären. Von den Läden und Supermärkten, wenn das Mhd in Kürze abläuft. Von den Kneipen und Restaurants, was die Küche an dem Abend nicht verwerten konnte. Von Parties und Veranstaltungen, was die Gäste nicht gegessen haben.
Diese übriggebliebenen Lebensmittel, so die Idee, könnte man doch einsammeln und an Bedürftige verteilen, an Obdachlose, HarzIVler, an Asylanten und Sozielhilfeempfänger. Und so wurden die Tafeln ins Leben gerufen, gemeinnützige Organistaionen, die die Lebensmittel einsammelten und an Bedürftige umsonst oder gegen geringes Entgelt weitergaben. Näheres kann man hier bei Wiki nachlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tafel_(Organisation)
Eine prinzipiell sehr gute Idee, und mir schon von dem her sympathisch, weil ich dazu erzogen worden bin, keine Lebensmittel wegzuschmeissen, die noch essbar wären.
Aber in der Durchführung der an sich guten Idee krankt es, und zwar ganz schwer. Die Träger der örtlichen Tafeln sind meist gemeinnützige Organisationen, die mit ehrenamtlichen Helfern arbeiten. Das bedeutet unter anderem, dass die ausgebenden Personen nicht sozialpädagogisch oder sonstwie ausgebildet sind, und dass die Organisation gelinde gesagt oft stümperhaft ist. Lange Wartezeiten sind an der Tagesordnung, oft dauert es eine Stunde und länger nach dem gesetzten Termin, bis die Lebensmittelausgabe tatsächlich beginnt, und dann steht man da und kann nicht weg und steht sich die Füße in den Bauch. Unter freiem Himmel, bei jedem Wetter, bei 30 Grad im Schatten und bei 10 Grad minus und Schneesturm. Es hilft nichts, bei der Tafel ist warten angesagt, wer Lebensmittel bekommen will, braucht extrem viel Geduld.
Wenn die Ausgabe dann endlich beginnt, geht sie oft schleppend voran, weil die ehrenamtlichen Helfer ganz unterschiedlich schnell arbeiten, und manche von ihnen sich sehr viel Zeit lassen und meinen, sie müssten ihre Kundschaft mit Konversation beglücken. Dann kommt es zu Staus an den betreffenden Stationen, und es geht wieder mal nichts weiter. Ausserdem kommen jetzt auch noch die Nachzügler, diejenigen die erst Stunden nach dem angesetzten Termin erscheinen, und diese werden je nach Organisation entweder nach hinten ans Ende der Schlange geschickt, oder schlimmstenfalls noch vor denen eingereiht, die pünktlich da waren. Das verursacht sehr oft Unmut und sogar offenen Streit unter den Wartenden, und das kann man auch verstehen.
An der ersten Station, am Kühlwagen, geht es oft etwas flotter voran, weil hier gerne jüngere Helfer eingesetzt werden, denen die Kälte im Wagen nicht so viel ausmacht. Die sind dann aber oft dermassen von der flotten Truppe, dass sie dir die Lebensmittel schneller in die Tasche schmeissen als du “ja bitte” oder “nein danke” sagen kannst, ohne Rücksicht darauf ob etwa Joghurtbecher eingedrückt oder frische Eier zerquetscht werden. Ausserdem gibt es am Kühlwagen viele Lebensmittel oft nur in Riesenmengen: Leberkäse und Wurst in Kilopackungen, Feinkostsalate in Eimern, Pommes in Großverbrauchergebinden. Ganz davon abgesehen dass das für eine Einzelperson zu schwer zum schleppen ist, was soll ein ein- oder zwei Personenhaushalt mit derartigen Mengen? Kann man das nicht vorher in haushaltsgerechtere Portionen aufteilen, so dass nicht nur die Großfamilien etwas davon haben?
An der nächsten Station gibt es Kartoffeln, und die waren bei unserer Tafel immer das Beste. Erstens von hervorragender Qualität von einem Bauern aus dem Dachauer Hinterland, und zweitens war der Kartoffelmann so super, der hatte seine Ausgabe perfekt im Griff. “Wieviele Kartofferl wollen’s denn? Große oder kleine oder gemischt?” Da bekam man genau das, was man auch haben mochte, und freundlich war der Kartoffelmann obendrein. Weniger schön waren an der gleichen Station die Karotten: das war immer Bruchware, und oft schon angeschimmelt oder schwarz verfärbt, das hätte noch nicht einmal mehr als Viehfutter getaugt.
Das ist überhaupt ein Riesenthema bei den Tafeln: es liegt an den Organisatoren, die Lebensmittel auszusortieren, die definitiv nicht mehr zum Verzehr geeignet sind. Meistens tun sie das nicht gründlich genug. Matschiger Salat, angefaulte Gemüse, angeschimmelte Erdbeeren, gelb verwelkter Broccoli und schmierige Champignons, derartig unappetitliche Ware ist leider oft an der Tagesordnung. Oft sieht man bei verpackten Gemüsen die Verderbnis erst, wenn man sie zuhause auspackt: da hilft dann nur noch rigoros wegschmeissen.
Wenn man sich weigert, angegammeltes Obst und Gemüse einzupacken, kriegt man dann schon mal so herzige Sprüche zu hören wie “Bei der Tafel darf man nicht wählerisch sein!” oder “Wir gehen für sie betteln, jetzt nehmens das mit, sonst gibt es gar nichts mehr!” Toll, nicht wahr?
Besonders unappetitlich fand ich auch immer die Art und Weise, wie mit dem frischen Brot umgegangen wurde. Das lag durcheinander offen und unverpackt in grossen Grabbelkartons, jeder tatschte daran herum, und wer weiß was hier unter freiem Himmel an Insekten und Vogelscheisse schon auf dem Brot gelandet war. Mir hats da so gegraust, dass ich nie offen liegendes Brot mitgenommen habe, höchstens gut verpackte Ware, wenn es die denn mal gab.
Die ganze Aktion dauert im Schnitt mit den langen Wartezeiten sowas wie 2–3 Stunden, wenn es Querelen oder Unregelmäßigkeiten gibt, auch schon mal länger. Und wenn man da so bei jedem Wetter stundenlang in der Schlange steht, kommen einem schon die einen oder anderen Gedanken, dass man sich hier die Wohltätigkeit sauer verdienen muss. Auch ein Sozialhilfeempfänger hat seine Zeit nicht gestohlen.
Sowas läßt sich auch anderes organisieren. Ich habe von Tafeln gehört, die eigene Ausgaberäumlichkeiten mit Warenregalen und Kühltheken unterhalten, wo man hingehen kann wie in einen Kaufladen, sich die Ware die man haben möchte selbst aussuchen kann und nicht stundenlang in einer Warteschlange steht. Da wird man dann auch nicht gezwungen, allen möglichen bereits verdorbenen Ramsch mitzunehmen, sondern kann frei wählen was einem appetitlich und gut verwertbar erscheint.
Den Fehler machen die Tafelmitarbeiter nämlich auch gern, dass sie einem viel zu viel einpacken, weil sie von irgendeiner Ware jetzt gerade die Menge da haben. Dabei müsste ihnen klar sein, dass die meisten Tafelklienten die Lebensmittel zu Fuß oder bestenfalls im Trolley oder Kinderwagen heimschleppen müssen, und keiner ein Auto hat, wo man die Warenmengen einfach in den Kofferraum stecken könnte.
Wie ich eingangs sagte, ich halte die Grundidee der Tafeln für gut und ehrenwert. Aber an der Durchführung mangelt es ganz fürchterlich. Man wird oft wie ein Bettler behandelt, und dann fühlt man sich auch so. Für viele Teilnehmer ist die Tafel eine wöchentliche psychische Belastung, die sie nur in Kauf nehmen, weil sie auf die kostenlosen Lebensmittel angewiesen sind. Noch jeder den ich kenne war froh, wenn es ihm wirtschaftlich wieder besser ging und er nicht mehr zur Tafel gehen musste. Das, liebe Leser, soll mein Schlusswort sein. Macht die Tafelklienten bitte nicht zu Bürgern zweiter Klasse. Sie haben Achtung und anständige Behandlung verdient. Sie sind keine Bettler.