Restentnahme — was ist das?
Ich bin ein notorischer Zahnpastatuben-Aufschneider. Früher gabs Zahnpasta in Metalltuben, die konnte man bis aufs letzte Restchen ausquetschen. Heute gibt es sie nur in diesen vermaledeiten Plastiktuben, und wenn da vorne trotz allen Quetschens nichts mehr herauskommt, ist noch Zahnpasta für mindestens fünfmal Zähneputzen drin. Deswegen schneide ich die Plastiktuben auf und kratze mit der Zahnbürste die Reste heraus, bis wirklich nichts mehr drin ist. Das Gleiche gilt übrigens auch für Cremes und Bodylotions, und für Ketchup und Senf in Plastiktuben ganz genauso.
Es gab bei der Stiftung Warentest mal ein Qualitätskriterium, das hiess “Restentnahme” und wertete, wie gut man die Reste aus dem jeweiligen Cremetöpfchen oder der Zahnpastatube herausbekam. Das ist in der Industrie ein wichtiges Kriterium besonders für Hilfs- und Betriebsstoffe, wenn man einen Kanister mit 10 Litern Schmierstoff gekauft hat und kriegt nur 9,8 Liter heraus, hat man 0,2 Liter glatten Verlust, und sowas läppert sich ganz schnell, da sind gleich ein paar Euros beisammen.
Deswegen bin ich kein Geizkragen (doch bin ich schon, aber darüber ein andermal mehr) , ich weigere mich nur etwas wegzuschmeissen, wenn es noch nicht bis auf den letzten Rest verbraucht ist. Schliesslich habe ich ja die ganze Menge bezahlt und nicht nur 90% davon, da möchte ich auch alles aufbrauchen können, ehe ich Nachschub ordern muss.
Wann der Nachschub rollt
Das ist mein nächstes Stichwort: der Nachschub, in der Industrie “Bestellzeitpunkt” genannt und eine wichtige logistische Kennzahl. Die moderne Logistik arbeitet bevorzugt “Just in Time”, also genau rechtzeitig, nicht zu früh (es ist noch Ware auf Lager) und nicht zu spät (Kunde kann nicht beliefert werden). Den Spagat zwischen diesen beiden Zeitpunkten hinzukriegen ist eine Kunst bzw. eine eigene Wissenschaft, die nennt man Warenrotation.
Die Schnelldreher
Ich drösel es mal für den Hausgebrauch auf. Da gibt es die Schnelldreher, die am selben Tag gekauft und verbraucht werden. Meine Frühstückssemmel und die Milch für meinen Caffe Latte, die Halbe leichtes Weizen für Abends und der frische Salat, den ich heute noch esse. Hole ich jeden Tag frisch, da muss man nix einlagern, das wird noch am selben Tag verbraucht und morgen wieder frisch geholt.
Die Langsamdreher
Dann gibt es die Langsamdreher (auch Penner genannt), die ich nicht an einem Tag aufbrauche, weil die Gebinde zu gross sind als dass ich sie auf einmal verbrauchen könnte. Kaffee, sic! die Zahnpasta, sonstige Toilettenartikel, den Sack Kartoffeln und den Knoblauch und das Olivenöl und der Aceto Balsamico. Die kaufe ich erst neu, wenn ich die vorhandene Ware schon so gut wie aufgebraucht habe. Ich mache da keine Vorratslagerhaltung mehr, das habe ich mir komplett abgewöhnt, und ich habe auch in meiner schnuckeligen kleinen Bude gar nicht den Platz, Mengen an Vorräten einzulagern. Deswegen mache ich nicht mehr diese wöchentlichen oder monatlichen Einkaufstouren zum Aldi oder zum Real, wo der Kofferraum vollgebunkert wird. Ich geh jeden Tag in der Früh ohnehin mein Frühstückssemmerl beim Rewe holen, und da kriege ich auch mein Klopapier, wenn ich es denn aufgebraucht habe, und drei frische Knoblauchknöllchen wenn der alle ist. Das erspart es mir auch, ständig die Vorräte überprüfen zu müssen, ob da nicht schon wieder ein MHD abgelaufen ist oder irgendwas das Gammeln anfängt.
Das Transportfahrzeug — meine Füße
Und weil ich jeden Morgen zu Fuß zum Einkaufen gehe (das ist mein Frühsport :)) überlege ich es mir auch dreimal, was ich alles in die Einkaufstasche stecke, schließlich muss ich es ja per pedes heimtragen. Das war ein steiler Lernprozess, früher, als ich noch mit dem Auto zum Einkaufen gefahren bin, hab ich die H‑Milch im 12er Karton, das Olivenöl im 3‑Liter-Kanister und die Barilla-Nudeln sackweise heimgekarrt. Jetzt wo ich zu Fuß gehe nehme ich nur noch mit, was ich auch tatsächlich in absehbarer Zeit verbrauchen werde, und was nicht allzu schwer wiegt. Bis ca. 3 kg trägt sich noch ganz annehmbar, darüber wirds mühsam. Da überlege ich es mir dreimal, ob ich wirklich die Flasche Wein UND die Flasche Olivenöl beide brauche, hat ja jede fast ein Kilo, und lasse dann eine von beiden stehen.
Lean Production
Das hat so ganz nebenbei meine Haushaltsausgaben innerhalb eines Jahres so gut wie halbiert. Weil ich nur noch kaufe, was ich auch wirklich und bald verbrauche, schmeisse ich lang nicht mehr so viel Lebensmittel weg wie früher, und habe einen wunderbar übersichtlichen und aufgeräumten Kühlschrank. Ich bin bestimmt kein Geizkragen, jedenfalls nicht was die Ausgaben für den Haushalt betrifft, ich koche und esse ja leidenschaftlich gern und lasse es mir da auch an nichts fehlen. Aber ich trag nichts Überflüssiges mehr heim, und so etwas nennt man in der Logistik “Lean Production” — I’m loving it! 🙂