Praxis Dr. Inselfisch

Psychologie, Philosophie und Programmierung

Sind sie horizontal oder vertikal reich?

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Ich habe kür­zlich einen sehr amüsan­ten und infor­ma­tiv­en Artikel von Charles Chu über ver­tikalen und hor­i­zon­tal­en Reich­tum gele­sen:

https://medium.com/the-polymath-project/the-price-of-happiness-horizontal-vs-vertical-wealth-6057e9b35d66

Er lei­ht sich die Def­i­n­i­tion von den Unternehmens­ber­atern und Wirtschaftswis­senschaftlern, die diese Nomen­klatur für die Klas­si­fika­tion kom­merzieller Fir­men ver­wen­den. Ver­tikaler Reich­tum bedeutet, dass man sich an anderen reichen Leuten misst und das tut, was die auch tun: eine teure Vil­la ein­richt­en, eine Yacht kaufen, in Gstaadt zum Ski­fahren gehen, dicke Autos fahren und in teuren Resortho­tels Urlaub machen zum Beispiel.

Hor­i­zon­taler Reich­tum ist es, wenn man sich seine per­sön­lichen Vor­lieben nicht vom vie­len Geld dik­tieren läßt. Sie lieben Büch­er und haben einen Haufen Geld? Kaufen sie mehr Büch­er und lesen sie sie mit Genuss! In dem Zuge kön­nte man auch die alten Ikea-Bücher­re­gale gegen eine schöne Mas­sivholzbib­lio­thek aus­tauschen.

Ich tendiere defin­i­tiv zum hor­i­zon­tal­en Reich­tum. Seit ich aus mein­er zugegeben schö­nen, aber viel zu grossen und über­teuerten Alt­bau­woh­nung in Haid­hausen in mein son­niges kleines Dom­izil im hohen Nor­den von München umge­zo­gen bin, bleibt wesentlich mehr Geld in der Haushalt­skasse, weil ich nur noch ein Vier­tel Miete monatlich bezahle. Was mache ich mit dem ersparten Geld? Ich lasse es mir gut gehen, und bleibe dabei auf dem Tep­pich. Ich würde es mir dreimal über­legen, wieder in eine grössere Woh­nung umzuziehen, weil die a) in München eh nicht erschwinglich sind und ich in der Stadt bleiben möchte und b) weil ich in der kleineren Bude wesentlich weniger Putzarbeit habe, und ich putze nun mal nicht so gern. Mit mein­er preiswerten Miete kann ich es mir sog­ar leis­ten, fürs Fen­ster­putzen eine Putzfrau zu bezahlen, da fällt schon mal das ungeliebteste Stück Haus­putz weg, den Luxus gönne ich mir. Ausser­dem ist das Schön­ste an meinem kleinen Dom­izil die grosse Fen­ster­front mit dem Win­ter­garten, und wenn da die Fen­ster immer sauber sind, habe ich die höch­ste Freude an mein­er son­ni­gen Bude und den her­rlichen Son­nenun­tergän­gen, die ich vom Wohnz­im­mer aus fast das ganze Jahr lang beobacht­en kann. Also, ich bin mehr als zufrieden mit mein­er Wohn­si­t­u­a­tion, ich mag sog­ar die Gegend, obwohl es eigentlich ein “Glass­cher­ben­vier­tel” ist, aber ich bin hier um die Ecke aufgewach­sen und kenne die schö­nen Platzerl im Münch­n­er Nor­den.

Was gönne ich mir noch? Ein Auto, weil ich nicht immer alle schw­eren Einkäufe zu Fuß heim­schlep­pen will, und weil ich gele­gentlich auch mal zum Ikea oder zum Bau­markt oder zum Star­berg­er See fahren möchte. Es ist ein recht betagter gebrauchter Kom­bi, aber für mich tuts der vol­lkom­men, ich bin nicht scharf auf PS oder chromblitzende Karosse­rien, für mich ist ein Auto ein Gebrauchs­ge­gen­stand. Vielle­icht tausche  ich ihn mal gegen ein kleines Stadt­flitzerchen um, der Kom­bi ist zwar prak­tisch, aber mir eigentlich zu gross, so ein klein­er Fiat 500 oder ein Nis­san Micra würde mir auch gefall­en, und ich fände viel leichter Park­lück­en, in die ich auch hineinkomme — ein­parken ist nicht meine Stärke. Ich gönne mir auch ein Motor­rad, obwohl ich sel­ber nicht mehr viel fahre, aber mein bester Fre­und ist ein beg­nade­ter Motor­rad­pi­lot, und ich fahre sehr gern bei ihm als Sozia mit. Mein Motor­rad ist ein Old­timer, ich hab sie schon seit fast 20 Jahren, eine alte BMW Box­er in feuer­wehrrot — so eine wollte ich immer schon haben, und ich geb sie nie wieder her. Ich brauche auch kein neues Motor­rad, ich habe meine Traum-Mas­chine schon 🙂

Schicke Design­erk­lam­ot­ten? Aber ja doch! Ich designe seit vie­len Jahren meine eige­nen Strick­mod­en, und da sind tolle Stücke dabei, das kön­nen sie mir glauben, da krieg ich immer viele Kom­pli­mente dafür. Aber Streifzüge durch die Bou­tiquen mache ich nicht, da hole ich mir doch bloss einen Frust. Ich habe näm­lich eine Fig­ur, die defin­i­tiv nicht von der Stange ist. Wenn mir Hosen in der Hüfte passen, sind sie mir wegen mein­er lan­gen Hax­en immer am Knöchel zu kurz, und wenn ein Blaz­er oder eine Bluse genug Raum für mein bre­ites Kreuz mit­brin­gen soll, muss ich zu Klei­der­grösse Ele­fant greifen, und da gibts eigentlich nur Designs Marke Kartof­fel­sack. Also nähe ich mir meine Basics sel­ber, da sind wenig­stens die Hosen lang genug, und in den Oberteilen krieg ich meine hero­is­chen Schul­tern samt der Ober­weite gut unter. Also, teure Klam­ot­ten: auch Fehlanzeige.

Wo lasse ich es dann richtig krachen? Beim Essen und Trinken! Nur vom Fein­sten, das Bio-Fleisch vom Dorfmet­zger (bringt mir mein Fre­und vom Land mit), das Lamm vom Türken, das Geflügel von Stephani am Vik­tu­alien­markt, da bin ich alle 14 Tage und nehme mir was Feines mit. Nur den besten Lavaz­za Espres­so für meinen Früh­stücks-Cafe-Lat­te, und abends darf es dann ein Unertl Leicht­es Weizen vom Aller­fe­in­sten sein. Besten Wein trinke ich bei meinem Fre­und, der kauft ihn zuhause in Würt­tem­berg direkt beim Winz­er, und aller­fe­in­ste Obstschnäpse brin­gen wir uns aus dem Urlaub vom Walchensee mit — da reicht ein Flascherl allerd­ings dann allerd­ings schon mal ein halbes Jahr, weil wir sehr sparsam damit umge­hen. Seit ich mir abgewöh­nt habe, immer gle­ich Essen für eine halbe Kom­panie einzukaufen (wir waren eine grosse Fam­i­lie zuhause) komme ich mit erstaunlich wenig Lebens­mit­teln aus, ich esse ja meis­tens allein, und so darf es dann auch mal ein wenig mehr kosten.

Was ich mir son­st noch an Luxus gönne: bestes und schön­stes Mate­r­i­al für meine Hob­bies. Aquarell­far­ben nur in aller­fe­in­ster Kün­stlerqual­ität (hab ich einen Kas­ten voll, hal­ten Jahrzehnte bei gekon­ntem Umgang), Wolle aus über­wiegend Natur­fasern (bestelle ich mir Online bei ein­er Fir­ma, die sehr feine Qual­itäten sel­ber pro­duziert), feuer­polierte böh­mis­che Glass­chliff­perlen zum Schmuck­basteln (bestelle ich direkt in Tschechien), erlesene Vere­delungs­ma­te­ri­alien für meine selb­st­ge­baut­en Mas­sivholzmö­bel (Schel­lack, Wach­spoli­tur, Leinöl­fir­nis… gibts in jedem Bau­markt, muss man nur ver­ar­beit­en kön­nen)… die Liste liesse sich noch fort­set­zen, ich hab ja so viele Hob­bies. Aber ich hab schon vor vie­len Jahren gel­ernt, bei Selb­st­gemachtem nicht am falschen Ende zu sparen, und nur gutes Mate­r­i­al einzukaufen, den Luxus leiste ich mir.

Das wars jet­zt eigentlich schon so ziem­lich. Gele­gentlich mal ein Buch oder eine Zeitschrift (ich lese heutzu­tage mehr online), ab und zu ein paar Blu­men, im Som­mer eine Radler­halbe im Bier­garten und ein Eis beim Gelataio, im Win­ter ein Glüh­wein auf dem Wei­h­nachts­markt und ein paar Bratwürste in der Sem­mel oder ein Dön­er. Das sind die Luxu­s­genüsse, auf die ich nicht verzicht­en möchte, und die ich mir leis­ten kann ohne im Lot­to gewon­nen zu haben.

Wenn ich jet­zt noch viel mehr Geld hätte — würde sich dann viel ändern? Ich würde mehr reisen, glaube ich, aber da ich nicht gern fliege fall­en Luxus-Fernziele von Haus aus aus. Dann eher noch mal zum Gar­dasee oder ans Meer, egal ob Adria oder Nord­see, das würde ich mir sich­er leis­ten. Aus meinem alten Kom­bi würde ein neues Smar­tle wer­den, und statt dem alten Dreigang­fahrrad würde ich mir einen schick­en Aluren­ner kaufen, dann würde ich sich­er öfter Rad­fahren, zum Feld­mochinger See rüber zum Beispiel. Aber ich würde mit Sicher­heit nicht mein Leben auf den Kopf stellen, bloss weil ich mehr Geld hätte, da bin ich ganz zuver­sichtlich. Ich bin lieber hor­i­zon­tal reich — und eigentlich bin ich das jet­zt schon 🙂

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