Praxis Dr. Inselfisch

Psychologie, Philosophie und Programmierung

Lust und Frust — oder warum gehen sie einkaufen?

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Ich habe ger­ade einen sehr amerikanis­chen Artikel über die Psy­cholo­gie des Verkaufens gele­sen, der pos­tuliert dass die Leute haupt­säch­lich aus zwei Grün­den einkaufen: ein­mal zum Vergnü­gen, und zum anderen um Schmerz loszuw­er­den. Zum Vergnü­gen zum Beispiel eine 100 $ teure Flasche Wein, und um den Katerkopf­schmerz loszuw­er­den, am näch­sten Tag eine Pack­ung Kopf­schmerztablet­ten. Einen sünd­teuren roten Sport­wa­gen zum Vergnü­gen, und den Kinder­sitz dazu um Schmerzen zu ver­hin­dern. Einen teuren Urlaub zum Vergnü­gen, ein Haar­wuchsmit­tel um den Ver­lustschmerz bei Haa­raus­fall zu ver­mei­den.

Das fand ich dann doch ein biss­chen über­sim­pli­fiziert, aber so sind die Amis mein­er Erfahrung nach oft. Man kann sowas auch als Frust- und Lustkäufe klas­si­fizieren, und bei­des, so finde ich zumin­d­est, ist ein bißchen ungut. Es läuft näm­lich immer darauf hin­aus, dass man Geld für etwas aus­gibt, was man nicht wirk­lich braucht — aber dahin wollen uns die Mar­ket­ingstrate­gen ja genau lock­en, sie wollen an das Cash in unseren Taschen, und dazu ist ihnen jedes Mit­tel recht. Liebeskum­mer bekämpft man mit einem oder bess­er gle­ich mehreren Paaren neuer Schuhe, der Frust im Job läßt sich nach Feier­abend mit einem Raubzug durch die Bou­tiquen bekämpfen, gegen Ein­samkeit hil­ft eine Fam­i­lien­pack­ung Eiskrem oder Schoko­lade, und bei Min­der­w­er­tigkeits­ge­fühlen darf es gern ein PS-starkes völ­lig über­teuertes Kraft­fahrzeug sein. So sug­gerieren uns die all­ge­walti­gen Sales- und Mar­ket­ing­gu­rus, dieses Cre­do kriegt man mit jedem Werbespot um die Ohren, in mas­siv­er und — für mich zumin­d­est — schon direkt abschreck­ender Art und Weise. Ob Wer­bung im TV oder Inter­net, in den Print­me­di­en oder auf der Strasse, über­all wird uns einget­richtert dass wir glück­lichere Men­schen sein wer­den, wenn wir nur *egal was * kaufen, und zwar möglichst sofort.

Ja hal­lo, gehts noch? Was ist aus den ganz nor­malen Einkäufen des täglichen Bedarfs gewor­den, gibt es sowas heute über­haupt noch? Früher, und ich meine wirk­lich früher, in der Gen­er­a­tion mein­er Oma, ging man jeden Tag zum Bäck­er, zum Milch­laden und zum Met­zger und holte nur das, was am sel­ben Tag auch ver­braucht bzw. aufgegessen wurde. Man hat­te näm­lich noch keinen Kühlschrank, erst recht keinen Gefrier­er, und die leicht verderblichen Lebens­mit­tel wur­den jeden Tag frisch geholt, damit sie nicht ver­dar­ben. Eine gute Haus­frau beherrschte auch die Kun­st des recht­en Mass­es, sie kochte genau so viel dass alle satt wur­den, aber keine Reste übrig blieben — es gab näm­lich wirk­lich keinen Kühlschrank, son­dern besten­falls eine leicht tem­perierte Speisekam­mer oder den küh­leren Keller, und Essen­sreste mussten schnell weg, ehe sie vergam­melten. Da schaute man lieber, dass gle­ich nichts übrig blieb. Unsere Omas liessen sich auch nicht von Son­derange­boten und Wer­beartikeln ver­lock­en, die kauften nur was sie wirk­lich braucht­en, und liessen alles andere im Laden liegen.

Das änderte sich mit den Wirtschaftswun­der­jahren und der Gen­er­a­tion mein­er Mama, man hat­te mehr Geld, man hat­te eine mod­erne Küche mit Kühl- und Gefrier­schrank, man kon­nte auf Vor­rat einkaufen — und musste das auch tun, denn man musste auch viel arbeit­en und hat­te nicht mehr die Zeit, jeden Tag die Runde zum Bäck­er, zum Milch­laden und zum Met­zger zu machen. Also wurde am Sam­stag mit dem Pas­sat Kom­bi zum Suma oder Wertkauf gefahren, und der Kof­fer­raum voll­ge­laden mit Waren, die dann die ganze Woche reichen mussten. Das war ganz sich­er auch eine Art von Luxus, meine Mama hat es geliebt, dass sie gle­ich zehn Pack­erln Kaf­fee mit­nehmen kon­nte, und Nudeln und Mehl und Zuck­er in Fam­i­lien-Groß­pack­un­gen. Die Vor­räte wur­den dann zuhause säu­ber­lich ver­staut, und man kon­nte die ganze Woche aus dem Vollen schöpfen. Allerd­ings gin­gen bei diesen sam­stäglichen Einkauf­sorgien schon auch mal Sachen mit, die nicht unbe­d­ingt gebraucht wur­den, das Sor­ti­ment in den Super­märk­ten war ja ger­adezu paradiesisch üppig, und unsere Mamas waren auch nicht mehr so knapp bei Kasse, dass sie da auf jeden Pfen­nig acht­en mussten.

Ja, und meine Gen­er­a­tion? Ich habe in meinen Jahren als gutver­di­enende beruf­stätige Haus- und Ehe­frau immer zuviel eingekauft, wie ein Eich­hörnchen, man kon­nte es sich ja leis­ten, und wie sollte ich am Mor­gen schon wis­sen, auf was wir Abends Appetit haben wür­den? Also ging beim Met­zger nicht nur das Schnitzel, son­dern auch gle­ich noch die Kotletts mit, und beim Griechen drei bis fünf Sorten Salat und Gemüse, und noch ein Sor­ti­ment Antipasti dazu. Das endete lei­der oft damit, dass wir ziem­lich viele Lebens­mit­tel weggeschmis­sen haben, weil wir sie nicht rechtzeit­ig auf­brauchen kon­nten. Ich habe jahre­lang an mich hingear­beit­et, auch als ich schon lang wieder Sin­gle war, und müh­sam wieder ver­lernt, immer für drei und fünf Mahlzeit­en gle­ichzeit­ig einzukaufen. Das kenne ich auch von vie­len mein­er Fre­undin­nen in meinem Alter, wir kämpfen alle damit, dass wir immer noch mehr heim­tun, als wir tat­säch­lich ver­brauchen.

Mit den Jahren bin ich da aber bess­er gewor­den, und heute kaufe ich wieder fast so ein, wie es meine Oma getan hat. Milch für meinen Kaf­fee Lat­te, eine frische Sem­mel zum Früh­stück, Kaf­fee wenn der dro­ht alle zu wer­den, auch mal ein Stück Käse oder eine Tafel Schoko­lade, ein Radler oder eine Viertelflasche Wein für Abends, und anson­sten wirk­lich nur wenn was gebraucht wird, Wasch­pul­ver und Klopa­pi­er und sowas. Das wars dann aber wirk­lich, soge­nan­nte Spon­tankäufe hab ich mir kom­plett abgewöh­nt, ich nehm nur mit was auf meinem Einkauf­szettel ste­ht, und wenn die Son­derange­bote noch so toll lock­en. Da hil­ft es unge­mein, dass ich gegen Wer­bung so gut wie immun bin, dank jahre­lan­gen harten Train­ings. Und es hil­ft auch, dass ich sehr gut kochen kann, und nie, aber wirk­lich nie Fer­tig­gerichte esse.

Das ist die Über­leitung zur Gen­er­a­tion nach mir: die Kids, die alle nicht mehr kochen kön­nen. Manch­mal läßt es sich nicht ver­mei­den, dass ich Abends noch in den Super­markt gehen muss, und da staune ich immer mit was die jün­geren Leute ihre Einkauf­swä­gen füllen. Fer­tig­gerichte soweit das Auge reicht, Mag­gi-Fix für alles mögliche, Piz­za und Pommes und ander­er Tiefkühl-Schnell­frass, dazu noch Chips und Flips und Schoko­lade und Süßwaren zuhauf. Fer­tig marinierte Fleis­chwaren (finde ich beson­ders gruselig) und abgepack­te Würste (sind auch meist scheus­slich), und dann noch vorge­fer­tigte Desserts und Pud­ding­pülverchen für den süssen Schluss. Nichts dabei, was ich gern kochen geschweige denn mit Appetit essen würde.

Bin ich so ein Fos­sil? Ich fürchte fast, ja. Ich kaufe täglich nur das ein, was ich auch bald ver­brauche, und ich nehme bes­timmte Marke­nar­tikel — den Dall­mayr Kaf­fee, die Bercht­es­gad­ner But­ter, das Pfis­ter Brot — weil sie mir bess­er schmeck­en und ich mich auf die gle­ich­bleibende Qual­ität ver­lassen kann, nicht weil ich sie in der Wer­bung gese­hen habe.  Ich lade mir nicht den Einkauf­swa­gen voll, weil ich irgen­deinen Frust bekämpfen muss. Shop­ping macht mich nicht per se glück­lich, aber ich freue mich an guten Din­gen und bin hap­py, dass ich es mir leis­ten kann zu kaufen was ich gerne mag. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, da kön­nen mir die Mar­ket­ing-Strate­gen und Sales-Experten alle gern mal am Abend begeg­nen.

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