Bei meinen täglichen Newslettern war heute ein sehr erhellender Artikel über die jährliche Umfrage von StackOverflow, der sei jedem empfohlen, der sich für den Status und die Befindlichkeit der programmierenden Zunft heute interessiert:
https://medium.freecodecamp.org/stack-overflow-2018-developer-survey-faac8d3eb357
Es haben dieses Jahr über 100.000 Entwickler aus aller Herren Länder an der Umfrage teilgenommen, das war ein Rekord, und macht die Umfrage zur weltweit grössten im Bereich Software Development.
Mich hat hier besonders ein Passus interessiert: die Fragen zum Thema Computer-Ethik. Die Frage:
“Würden sie Code zu unethischen Zwecken programmieren ?”
…haben nur erschreckende 58,8 % mit Nein beantwortet. 36,6 % gaben an, es käme darauf an was es ist, und 4,8 % antworteten mit Ja.
Das finde ich ehrlich gesagt hammerhart. Die nächste Frage:
“Wer ist verantwortlich wenn Code zu unethischen Zwecken programmiert wird?”
… beantworteten 57,5% mit : “Das Management”, 22,8 % schoben es auf: “Denjenigen, der die Idee hatte” und nur 19,7 % hielten “Den Entwickler, der es programmiert hat” für verantwortlich.
Immerhin 79,6 % sind der Meinung, dass ein Entwickler die ethischen Gesichtspunkte seines Codes berücksichtigen sollte.
Uff! Noch nicht einmal 20 % würden also die Verantwortung dafür übernehmen, wenn Code zu unethischen Zwecken produziert werden soll. Das finde ich eine erschreckende Zahl. Und man fragt sich natürlich, woher das kommt. Wenn man sich den Rest der Statistiken genauer anschaut, findet man schnell heraus dass die überwiegende Mehrzahl der Developer jung (unter 35), männlich und kinderlos ist, dass die wenigsten eine formale Ausbildung absolviert haben, dass sie sich überwiegend auf eigene Faust weiterbilden. Das heisst aber auch, dass die wenigsten Entwickler so etwas wie ethische Prinzipien oder auch nur Handwerksregeln ihres Berufes mitgekriegt haben. Kunststück, die Branche ist noch so jung, dass es so etwas wie Traditionen noch nicht gibt, höchstens in Ansätzen im Rahmen der Informatik-Studiengänge. Ich habe selbst während meiner Ausbildung zur Fachinformatikerin nie auch nur ein Sterbenswörtchen von so etwas wie Berufsethos gehört, und bedaure dies sehr.
Was man nicht vergessen darf: ein Großteil der programmierenden Zunft ist in Bereichen tätig, in denen es um Profit geht — man nehme nur einmal das Internet, diese furchteinflössende Marketingmaschine, als Beispiel. Und wo es um viel Geld geht, kippen ethische Prinzipien immer am schnellsten über Bord. Verkauft wird mit allen Mitteln, auch mit so unethischen wie Black Patterns und glatten Marketinglügen, aber ich will das hier gar nicht weiter vertiefen, sondern stattdessen eine Lanze für Ethik in der Programmierung brechen.
Das Computer Ethics Institute (CEI) in Washington ist nur eines von vielen Instituten, die sich Ethik in Development und Programmierung auf die Fahnen geschrieben haben. Ihr Motto ist es, einen moralischen Kompass für den Ozean der Informationstechnologie zur Verfügung zu stellen. In diesem Geiste haben die Experten des CEI die Zehn Gebote für Computer Ethik verfasst, die auch in viele Sprachen übersetzt wurden und international hohe Anerkennung finden. Ich zitiere hier die deutsche Fassung von http://computerethicsinstitute.org/german.html:
- Du sollst nicht Deinen Computer benutzen, um anderen Schaden zuzufügen.
- Du sollst nicht anderer Leute Arbeit am Computer behindern.
- Du sollst nicht in anderer Leute Files stöbern.
- Du sollst nicht den Computer zum Stehlen benutzen.
- Du sollst nicht den Computer benutzen, um falsches Zeugnis abzulegen.
- Du sollst nicht Software benutzen oder kopieren, für die Du nicht gezahlt hast.
- Du sollst nicht anderer Leute Ressourcen ohne deren Erlaubnis verwenden.
- Du sollst nicht anderer Leute geistig Werk als Deines ausgeben.
- Du sollst über die sozialen Konsequenzen Deiner Programme nachdenken.
- Du sollst den Computer so benutzen, daß Du Verantwortung und Respekt zeigst.
Dem habe ich nicht mehr viel hinzuzufügen, ausser: ich wünsche mir, dass sich diese 10 Gebote in die Wahrnehmungswelt der erfolgreichen, jungen, männlichen, kinderlosen Mehrheit der Entwickler besser durchsetzen, und dass es immer mehr werden, die auf keinen Fall Software zu unethischen Zwecken produzieren würden. Nicht nur klägliche nicht einmal 20 %.