Praxis Dr. Inselfisch

Psychologie, Philosophie und Programmierung

Bekenntnisse eines Morgenmuffels

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Ich bin ein entset­zlich­er Mor­gen­muf­fel. Ich brauche in der Früh unge­fähr zwei Stun­den, um auf Betrieb­stem­per­atur zu kom­men, und wehe wenn mich jemand dabei stört — Ansprechen auf eigene Gefahr! Beson­ders ätzend ist das, wenn ich mich unmit­tel­bar nach dem Auf­ste­hen mit ein­er Lerche abgeben muss, also einem echt­en Mor­gen­men­schen. Meine Mama war eine rein­ras­sige Lerche, und was habe ich als Kind gelit­ten, wenn sie mich schon mor­gens um sechs beim Weck­erklin­geln angezwitschert hat!

Der Witz ist: meine Umwelt hält auch mich für eine Lerche, weil ich anscheinend schon am frühen Mor­gen putz­munter und aktiv bin. Was die alle nicht wis­sen: ich hat­te dann schon min­destens zwei Stun­den Vor­lauf. Ich stelle mir keinen Weck­er, ich wache von sel­ber nach 6–7 Stun­den Schlaf auf und hab genug gepen­nt. Da ich meis­tens sehr früh ins Bett gehe, kann es also dur­chaus sein, dass ich schon mor­gens um vier aus dem Bett krieche, nur von einem einzi­gen süchti­gen Gedanken getrieben: Kaf­fee! Das Einzige was mich jet­zt ret­ten kann ist Kaf­fee!

Dann tapere ich in die Küche, und schon das Auf­schrauben, Befüllen und wieder Zuschrauben des Espres­sokän­nchens erfordert alle meine mech­a­nis­chen Fähigkeit­en. Dann sitze ich wie gelähmt da, bis das entzück­ende Blub­berg­eräusch des fer­tig durchge­brüht­en Espres­sos aus dem Kän­nchen wie Sphären­musik meine Ohren erfreut. Beseel­igt tän­zle ich wieder in die Küche, schenke mir mein Haferl Caffe Lat­te ein — Zuck­er nicht vergessen — und die erste Hürde ist geschafft, die Welt ist doch nicht so ein gräßlich­er Ort, wie ich anfangs befürchtet habe. Der erste Schluck des köstlichen Gebräus weckt meine Geschmack­n­er­ven, ich bevorzuge Lavaz­za Rossa, der ver­set­zt mich geschmack­stech­nisch unmit­tel­bar nach Bel­la Italia. Nach dem zweit­en oder drit­ten Schluck verge­ht das pelzige Gefühl auf mein­er Zunge, nach der ersten hal­ben Tasse des her­rlichen Gebräus lichtet sich auch der wat­tige Nebel in meinem Gehirn. Nach der ersten ganzen Tasse sehe ich allmäh­lich auch mehr als nur nebel­hafte Schemen, der Blick wird klar­er, ich brauche also doch keine neue Brille, gott­sei­dank!

Dann bin ich allmäh­lich bere­it für ein­fache motorische Tätigkeit­en. Ich stelle mir mein zweites Haferl Caffe Lat­te bere­it, nehme ein ein­fach­es Strickzeug in die Hand und stricke und schlürfe und schlürfe und stricke, bis das zweite Haferl alle ist. Der­weilen ist seit dem Auf­ste­hen lock­er eine Stunde ver­gan­gen, und so allmäh­lich schle­icht sich der Gedanke an ein früh­es Früh­stück in meine doch noch etwas neb­ulösen Gehirn­win­dun­gen. Ich stelle mir dann ein Schüsserl Hafer­flock­en mit Milch und Honig hin, und während die ein paar Minuten durchziehen dür­fen, geh ich mal Zäh­neputzen und mir das Gesicht waschen. Dann löf­fle ich mein Müs­li, und mein Magen nimmt das mit einem wohli­gen Schnur­ren zur Ken­nt­nis und sig­nal­isiert, dass er jet­zt auch langsam wach wäre. Etwas erfrischen­des käme jet­zt ger­ade recht, und ich schenke mir ein gross­es Glas Saft oder Schor­le ein, und nuck­le das genüsslich aus, während ich mich weit­er meinem Strickzeug widme.

Allmäh­lich wird der Kopf und der Blick klar­er, und man kön­nte mich jet­zt wahrschein­lich sog­ar schon ansprechen, ohne ein übel­lau­niges Knur­ren zu hören. Ist aber gott­sei­dank nie­mand da, ich kann noch ein wenig ungestört herumtritscheln und stricke noch ein Weilchen, während ich mir über­lege, mit was ich den Tag anfange. Typ­is­cher­weise checke ich dann zuerst mal meine E‑Mails, ich hab ja am vorigen Abend den Com­put­er schon recht früh aus­geschal­tet, und viele mein­er Fre­unde und Ver­wandten schreiben erst später am Abend, die hole ich jet­zt ab.

Beim Beant­worten der E‑Mails kommt mein Hirn dann auf Touren, und auch meine Fin­ger gewin­nen beim Tip­pen allmäh­lich wieder ihre fein­mo­torische Fer­tigkeit. Mit­tler­weile sind seit dem Auf­ste­hen etwa zwei Stun­den ver­gan­gen, und ich kann jet­zt endlich ohne zu Lügen behaupten: guten Mor­gen, ich bin jet­zt wach!

Dann koche ich mir noch Kaf­feenach­schub, kof­fe­in­freien wegen dem Flat­ter­mann, und fange mit der Tage­sar­beit an. Meis­tens tele­foniere ich schon früh zwis­chen sechs und sieben mit mein­er besten Fre­undin, und wir bequatschen alle anliegen­den Angele­gen­heit­en und helfen uns ein biss­chen gegen­seit­ig mit der Tage­s­pla­nung. Dann gehts aber echt los, jet­zt begin­nt meine kreativste Tage­sphase, der Mor­gen und der Vor­mit­tag! Da wird pro­gram­miert, geblog­gt, geplant, da wer­den Kon­tak­te gepflegt und neue Ideen geprüft und was nicht noch alles, da geh ich so richtig in die Vollen… aber da hat­te ich ja auch schon ein paar Stun­den Vor­lauf.

Und weil mich meine Umwelt nur in dieser Phase erlebt — vorher ist a) noch kein­er wach und ich bin b) noch nicht kom­mu­nika­tions­fähig — denken alle, ich wäre eine Lerche. Pfif­fkas, ich bin ein gräßlich­er Mor­gen­muf­fel — es merkt nur kein­er! 😉

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