Praxis Dr. Inselfisch

Psychologie, Philosophie und Programmierung

Mein bairisches Kunstverständnis: sonst hiesse es ja “Wunst”

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Das, liebe Leser, dürfte eines der meis­tum­strit­te­nen Zitate der mod­er­nen Kun­st­geschichte sein:

“Kun­st kommt von Kön­nen, nicht von Wollen — son­st hieße es ja Wun­st.”

Man kann hier bei Wiki nach­le­sen, wem es allem zugeschrieben wurde, von Lieber­mann über Herder bis zu ein­er Nazi-Größe ist da alles dabei. Ich habe es von meinem Opa, und der hat gesagt, der Karl Valentin hat es gesagt. Wie dem auch sei, ich liebe die feinsin­nige Anspielung auf den “Wun­st”, der nicht von unge­fähr dem “Wanst” ähn­lich lautet und genau­so nüt­zlich und ästhetisch ist wie ein ungeliebter Speck­stau am mit­tleren Ring.

Und da ich meine frühkindliche Erziehung in Sachen Kun­st von meinen Großel­tern bekom­men habe, habe ich auch ihre Ein­stel­lung zu der Sache über­nom­men. Oma und Opa waren bei­de sehr kun­stsin­nig, gin­gen viel in Museen und Ausstel­lun­gen, sam­melten wun­der­bar illus­tri­erte Kun­st­bände und waren mit einem bekan­nten Maler der Münch­n­er Schule sehr befre­un­det, der auch Por­traits ihrer Kinder malte. Von Oma und Opa habe ich über­nom­men, dass Kun­st nicht zufäl­lig entste­ht, son­dern immer der Aus­druck eines beson­deren Kön­nens und ein­er beson­deren Begabung ist. Das implizierte auch, dass kün­st­lerische Begabung in der Fam­i­lie erkan­nt und nach Möglichkeit gefördert wurde — wenn es nur mit den Möglichkeit­en etwas weit­er her gewe­sen wäre, aber die Lat­tas waren nun mal keine reichen Leute.

Deswe­gen förderten Oma und Opa meine Begabung zwar von früh­ester Kind­heit an mit ihrem Lob und der Ermu­ti­gung, weit­er­hin schöne Dinge zu schaf­fen, gle­ichzeit­ig aber schärften sie mir ein, dass nur die wenig­sten Kün­stler von ihrer Kun­st auch leben kön­nen, und ich mir bess­er ein sicheres Auskom­men in einem anderen Beruf suchen sollte. Das habe ich let­z­tendlich auch getan, nach eini­gen Irrwe­gen bin ich in die IT ger­at­en und habe mich da von Anfang an heimisch gefühlt, und eine abwech­slungsre­iche (wenn auch nicht immer ein­fache) Kar­riere hin­gelegt, und auch oft viel Geld ver­di­ent. Trotz­dem hat die Kun­st mich immer begleit­et, und wenn ich heute sage ich habe zwei Berufe, die IT und die Kun­st, so kommt das aus ganzem Herzen.

Dabei ver­ste­he ich mich selb­st eher als Handw­erk­erin, mit dem Aquarell­malen als mein­er beson­deren Fähigkeit, aber der Aus­druck “Kun­sthandw­erk” hat im heuti­gen Sprachge­brauch so etwas Abgeschmeck­tes. Das riecht nach Bou­tique und dilet­tan­tis­ch­er Selb­stver­wirk­lichung, und sog­ar der aktuelle DIY-Hype reit­et auf der sel­ben Welle mit seinen Zil­lio­nen Anleitun­gen für Beliebiges, das zur Kun­st erk­lärt wird nur weil man es selb­st gemacht hat. Das klingt jet­zt böse — und ist es auch. Malen nach Zahlen halte ich nicht für Kun­st, genau­so wenig wie ich das erfol­gre­ich zusam­menge­baute Lego-Star Wars-Raum­schiff für Kun­st halte. Es wird einem mit diesen ganzen Bausätzen und Vor­la­gen nur sug­geriert, dass man damit Kun­st schaf­fen kön­nte, aber es fehlt die kreative Eigen­leis­tung.

Mein­er Überzeu­gung nach entste­ht Kun­st dadurch, dass der Schaf­fende dem Geschaf­fe­nen seinen eige­nen Stem­pel auf­drückt, dass er abstrahiert, impro­visiert, seine eigene Sicht der Welt in das Werk pro­jiziert. Kun­st ist für mich auch immer ein Spiegel der Per­sön­lichkeit, ein echter Kün­stler entwick­elt immer eine eigene, unverkennbare Hand­schrift, die ihn von anderen unter­schei­det und einzi­gar­tig macht. Dabei ist es unwesentlich, ob das Werk “nach der Natur” und real­is­tisch, oder abstrakt und kün­st­lerisch ver­fremdet her­auskommt. Der eigene Stil ist es, was zählt, und mir ist ein nat­u­ral­is­tis­ch­er Wil­helm Leibl genau­so lieb und wert wie ein abstrahieren­der Paul Klee, ein stil­isieren­der Gus­tav Klimt genau­so wertvoll wie ein zu Späßen aufgelegter Anto­nio Gau­di, den wir Bay­ern schon allein seines Namens wegen lieben 🙂

Die Einzi­gar­tigkeit ihrer Werke ist das, was ich an Kün­stlern am höch­sten schätze, und ich nenne mich erst sel­ber Kün­st­lerin, seit ich glaube, meinen eige­nen Stil gefun­den zu haben. “Des is a echter Evi, des ken­nt ma glei!” ist das höch­ste Lob, das ich von Fam­i­lie und Fre­un­den gern hören mag. Dann freue ich mich und bin stolz, und meine kun­stsin­ni­gen Großel­tern freuen sich auch mit mir, von drüben herüber.

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