Praxis Dr. Inselfisch

Psychologie, Philosophie und Programmierung

Ich bin ein Dopamin-Junkie

| Keine Kommentare

Vor etwa 30 Jahren fing das an: damals war Lotus Notes die erste Win­dows-Soft­ware, die einen mit diesen net­ten kleinen Benachrich­ti­gungs­fen­sterchen und einem musikalis­chen Klin­geln darauf aufmerk­sam machte, wenn eine neue Nachricht eingetrudelt war. Immer. Sofort. Egal in welchem Pro­gramm man ger­ade arbeit­ete, das Fen­sterchen ging auf und Klin­geling! — wer kann da schon wider­ste­hen? Ich nicht, und ich bin seit­dem ein Junkie. Neue Emails nicht sofort anschauen? Undenkbar! Eine neue Forum­snachricht ignori­eren? Nie und nim­mer, das muss ich gle­ich anschauen. Eine SMS nicht sofort öff­nen? Das Blinken des ABs ignori­eren, nicht aufs Dis­play des Tele­fons guck­en ob das nicht Anrufe in Abwe­sen­heit aneigt? Jamais! Ich bin da wirk­lich voll der Junkie… Gott­sei­dank hab ich kein Smart­phone, ich würde ja nur noch am Tropf hän­gen.

In einem sehr erhel­len­den Artikel auf Psy­chol­o­gy Today wer­den die biol­o­gis­chen Hin­ter­gründe dieses Phänomens beleuchtet, das ist sehr auf­schlussre­ich und macht auch ein wenig nach­den­klich:

https://www.psychologytoday.com/us/blog/brain-wise/201209/why-were-all-addicted-texts-twitter-and-google

Das ver­track­te daran ist, dass das Dopamin, das die Lust-Zen­tren in unserem Gehirn anregt, schon bei der Erwartung eines neuen Reizes flutet, da ist die Vorah­nung der Beloh­nung schon anre­gen­der als am Ende die Beloh­nung selb­st. Deswe­gen lan­det man als Dopamin-Junkie auch in dieser End­loss­chleife, wo es let­ztlich egal ist ob die erwartete Nachicht jet­zt wirk­lich wichtig, gut, inter­es­sant oder son­st irgend­wie pos­i­tiv ist. Nein, die Ankündi­gung der Nachricht ist es, die der Sucht Stoff liefert, und das ist dann doch ziem­lich fatal, denn hier set­zt kein Lern­ef­fekt ein. Ganz egal ob man ger­ade dreimal Junk-Email wegge­drückt hat, bei der näch­sten Ankündi­gung “sie haben 1 neue Nachricht” set­zt der Reflex wieder genau­so ein, es kön­nte ja dies­mal wichtig sein, oder erfreulich, oder uns glück­lich machen. Deswe­gen ist mein Com­put­er auch den ganzen Tag an, wenn ich zuhause bin, ich kön­nte ja — Gott bewahre! — eine Nachricht ver­passen und meinen Dopamin-Fix nicht rechtzeit­ig bekom­men. Da hil­ft mir nur, dass ich ver­dammt schnell bin, und erstens ank­om­mende Nachricht­en mit einem Blick klas­si­fizieren kann, und dass ich zweit­ens beim Antworten auch ver­dammt schnell bin und nicht viel Zeit darauf ver­schwen­den muss, auf eine Nachricht auch zu reagieren.

Ich habe allerd­ings beim Nach­denken über den Artikel aus Psy­cholo­gie Today auch fest­gestellt, dass ich von anderen Men­schen erwarte, dass sie genau­so schnell auf meine Nachricht­en reagieren wie ich auf ihre. Ich kann es zum Beispiel abso­lut nicht ver­ste­hen, wenn jemand nicht zurück­ruft, obwohl ich eine Nachricht auf seinem AB hin­ter­lassen habe, wenn auf E‑Mails tage­lang keine Antwort kommt, wenn jemand seine Anrufe in Abwe­sen­heit auf dem Handy ignori­ert. Damit tue ich mir sehr schw­er, und muss auf­passen dass ich da nicht ange­fressen reagiere.

Da ziehe ich aber auch eine per­sön­liche Gren­ze. Wenn ich eine Anfrage an jeman­den gestellt habe, auf die ich aus welchem Grund auch immer wirk­lich eine Antwort brauche, hake ich nach einiger Zeit nach, wenn keine Antwort kommt. Sei es wegen ein­er Auskun­ft von ein­er Behörde oder von der Hausver­wal­tung, wegen eines Arzt-oder son­sti­gen Ter­mins, wegen Infor­ma­tio­nen die ich für meine Arbeit benötige oder Rück­fra­gen wegen offen­er Baustellen sowohl geschäftlich­er als auch pri­vater Natur, ich lasse es nicht durchge­hen, wenn jemand ein­fach nicht antwortet. Das ist aber eine andere Baustelle, das hat mit dem schnellen Dopamin-Fix jet­zt nicht wirk­lich etwas zu tun, son­dern mehr mit ein­fach­er Höflichkeit und den Grun­dregeln der men­schlichen Kom­mu­nika­tion.

Immer­hin habe ich aber meine Dopamin-Sucht soweit im Griff, dass ich sie mir nur im Laufe des (Arbeits-)Tages erlaube und den Com­put­er, meine Haup­tquelle für den Sucht­stoff, prinzip­iell spätestens nach dem Aben­dessen auss­chalte. Und ich weiß schon, warum ich kein Smart­phone habe und mir auch keines zule­gen will, das würde der Sucht zuviel Raum geben, das will ich gar nicht erst riskieren. Mir reicht es völ­lig, wenn die blaue Zahl in meinem Thun­der­bird (x) unge­le­sene Nachricht­en anzeigt — hui­ii, ich eile, ich fliege! Kön­nte ja was weiß ich was Tolles dabei sein, und nicht nur Junk und uner­wün­schte Newslet­ter. Aber Gott­sei­dank betreibe ich elek­tro­n­is­che Kon­ver­sa­tion mit ein­er Menge net­ter Men­schen, die mir wirk­lich etwas zu sagen haben, und über deren Nachricht­en man sich auch immer freuen kann. Das reis­sts raus, denn son­st wäre die Dopamin-Sucht ein trau­riges Kapi­tel. So ist’s nur eine Macke, auf die man ein biss­chen ein Auge haben muss. Hoffe ich zumin­d­est mal — aber jet­zt muss ich schnell mal weg, ich habe 1 neue Nachricht! 🙂

 

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.