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Imperfektionismus: es lebe das Handarbeitszeichen

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Wieso Fehler? Das heisst Handarbeitszeichen
Wie sicher jedem auffällt, der schon ein bißchen in diesen Seiten hier geblättert hat, neige ich nicht zu übertriebenem Perfektionismus, zumindest nicht was meine Stricksachen angeht. Ich kann schon auch pingelig sein, einen mißlungenen Kragen auch fünfmal auftrennen und neu dranstricken - wenn es unbedingt sein muß. Aber ansonsten finde ich, man soll da nichts übertreiben. Dann habe ich halt da unten statt drei roter Maschen drei blaue Maschen gestrickt... ja soll ich deswegen allen Ernstes dreißig Reihen auftrennen, das Mißgeschick korrigieren und alles wieder neu stricken? Aber nun wirklich nicht. Meine Ma behauptet übrigens (zurecht!), daß es nicht möglich ist, ein Handarbeitsteil völlig ohne Fehler herzustellen. Und deswegen nennt sie so einen Fehler auch nicht Fehler, das heißt "Handarbeitszeichen".

Ein weiteres Beispiel zur "Fehler"-Behandlung: Die Amish People (eine in fast mittelalterlicher Einfachheit lebende Religionsgemeinschaft in den USA) sind berühmt für ihre farbenfrohen, mit grosser Kunstfertigkeit ausgeführten Patchwork- und Quiltarbeiten. Einen echten Amish Quilt erkennt man allerdings daran, daß zumindest ein Stoffstückchen eingearbeitet ist, das hinten und vorne nicht zu den anderen paßt, ein absichtlicher "Fehler". Warum machen die das? Weil, nach Überzeugung der Amish, nur der Allmächtige ohne Fehl ist, und es vermessen wäre, als Mensch etwas absolut Fehlerloses schaffen zu wollen.

Ohne jetzt zu sehr ins religionsphilosophische abtauchen zu wollen: ich finde, die Einstellung hat was sympathisches. Wenn ich was selbermache, mache ich das aus Spaß an der Arbeit, und wenn mir das Ergebnis gefällt, bin ich stolz drauf. Auch wenn der eine Ärmel vielleicht um drei Zentimeter länger ist als der andere, oder eine Naht nicht ganz schnurgerade geworden ist. Darauf kommt's nun wirklich nicht an.

Fußnote und Beispiel: Man macht nicht alle Fehler selber

Das hier sind die Bündchen von Socken aus einem dieser tollen bedruckten Garne, wo das Muster einfach aus dem Knäuel kommt (Fortissima Socka Farbe Mexiko, glaube ich, von Stahl'sche Wolle - geniales Material)

Ich mache mir da gern die Mühe, am Anfang genau aufzupassen, an welcher Stelle in der Farb- und Musterfolge ich anfange zu stricken, um auch am Ende zwei möglichst ähnliche Socken zu erhalten. Die Bündchen sehen auch noch durchaus zufriedenstellend ähnlich aus.

Manchmal soll es einfach nicht sein. Das zweite Knäuel für die zweite Socke hatte, als ich so auf Mitte der Ferse war, einen Knoten (sowas regt mich ja eigentlich schon auf, aber ich hatte diese Knäuel geschenkt gekriegt, nicht teuer erstanden).
Und nach dem Knoten ging es in einer ganz anderen Farbfolge weiter. Seufz. Na ja. Es sind aber immer noch besonders schöne Söckchen, jeder für sich betrachtet. Ich ziehe sie trotzdem an.

 

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